Kommentar

Das schwierige neue Wahlrecht

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Peter Toussaint kommentiert. e

Peter Toussaint kommentiert. e

Foto: Anna Stais / FUNKE Foto Services

Mit der Mehrheit der Ampel-Parteien hat der Bundestag das neue Wahlrecht verabschiedet. Ob es auch wirklich so kommt, steht aber noch nicht fest.

So richtig klar, ob es jetzt eine Wahlrechtsreform gibt oder nicht, ist die Sache trotz der Entscheidung im Bundestag nicht. Das Bundesverfassungsgericht wird sich damit noch befassen müssen – und das ist auch gut so. In der Tat greift diese Veränderung tief in die gelebte und gewohnte Praxis unserer parlamentarischen Demokratie ein. Aber es gibt auch andere willkürlich gesetzte Regeln, die uns inzwischen selbstverständlich vorkommen. Es ist ja kein Naturgesetz, dass Parteien, die 4,99 Prozent erzielen, nicht in den Bundestag einziehen dürfen. Wegen der 5-Prozent-Hürde. Auch da bleiben dann viele Wählerstimmen nicht repräsentiert. Aber wir haben das akzeptiert, weil es reichlich schlechte Erfahrungen mit zu vielen Kleinstparteien in der deutschen Geschichte gab.

„Wasch mir den Pelz, aber mach mich nicht nass“

Über das Für und Wider haben wir auch in der Redaktion lange diskutiert – und sind nicht zu einer einheitlichen Beurteilung gekommen. Es ist so wie mit dem sprichwörtlichen Pelz, den man nicht waschen kann, ohne ihn nass zu machen.

Auf der Hand liegt, dass ein Parlament mit 736 Mitgliedern zu groß ist. Das sagen fast alle, über alle Parteigrenzen hinweg. Das erste gesamtdeutsche Parlament, das im Dezember 1990 seine Arbeit aufnahm, hatte 662 Sitze. In Zukunft sollen es 630 sein. Das spart Räume, strafft die Arbeit in den Ausschüssen – und soll 340 Millionen Euro im Jahr weniger kosten.

Deutschland fährt gut mit dem Verhältniswahlrecht

Der problematischste Punkt ist, dass ein paar Kandidaten, die in ihrem Wahlkreis die meisten Erststimmen bekommen, nicht in den Bundestag einziehen können, weil ihre Partei nach Zweitstimmen gar nicht so viele Sitze beanspruchen kann. Das mag bitter sein. Aber in Deutschland fahren wir gut damit, mehr Gewicht auf die Verhältniswahl, also auf die Zweitstimme zu legen. Immer wieder schütteln wir nach Wahlen in den USA den Kopf darüber, dass Politiker zum Präsidenten werden, obwohl ihr Gegenkandidat deutlich mehr Stimmen eingesammelt hat.

Diese Wahlrechtsreform muss nicht die letzte ihrer Art sein. Wenn man sieht, dass die neuen Regeln zu einer weiteren Entfremdung von Parlament und Bürgern führen, muss man sie korrigieren. Vielleicht muss man dann die Fünf-Prozent-Hürde vorsichtig niedriger justieren. Das wird die Zukunft zeigen.

Aber jetzt haben erstmal die Verfassungsrichter das Wort.

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