In Bielefeld gibt es eine „Laborschule“, die auf Noten komplett verzichtet. Gute Idee? Die Meinungen dazu gehen auseinander.
An unseren Schulen müssen viele Probleme gelöst werden. Zu große Klassen, zu wenige Lehrer, viele Sprachen, schlecht erzogene Kinder – über all das haben wir schon oft geschrieben, auch an dieser Stelle. Lehren und Lernen müssen stets an Veränderungen in der Gesellschaft angepasst werden. Aber deshalb muss nicht alles in Frage gestellt werden, was sich seit Jahrzehnten bewährt hat.
Bei dem Thema reden gerne alle mit. Das ist fast so wie mit den 82 Millionen Bundestrainern, die am besten wissen, wie die nächste Fußball-EM zu gewinnen ist. Anders als beim Fußball haben die Menschen beim Thema Schule selbst eine gewisse Expertise. Schließlich haben sie viele Jahre ihres Lebens dort zugebracht und Erfahrungen gesammelt mit motivierten und mit unmotivierten Lehrern. Und wer seit den 60er-Jahren die Schulbank gedrückt hat, ist Nutznießer und Leidtragender einer Reihe von Reformen geworden. Man hat ja den Eindruck, dass jede neue Koalition die Schulen als Orte ausgemacht hat, an denen der eigene politische Gestaltungswille sichtbar werden soll.
Überfällig ist zweifellos, dass die Arbeit der Schulen in schwierigen Lagen gefördert wird. 900 von 5400 Schulen in NRW sollen dafür nun mehr Geld bekommen. Das Programm „Talentschulen“ kümmert sich bereits darum. Jetzt kommt das „Startchancen“-Projekt, angeschoben vom Bund, dazu. Egal, wie es heißt, wichtig ist, was hinten rauskommt. Im besten Fall ist das dann etwas mehr Chancengerechtigkeit für die Kinder im Land.
Beim Wort „Laborschule“ denke ich an „Laborratte“
Ein anderes Projekt setzt auf „Schule ohne Noten“. Geht es Ihnen auch so, liebe Leserin und lieber Leser, dass Sie beim Wort „Laborschule“ ein Störgefühl haben. Ich muss dann immer an Laborratten denken, die mit vager Hoffnung auf Erkenntnisgewinne im Namen der Wissenschaft gequält werden.
Unser Reporter hat sich eine Laborschule angesehen. Vieles klingt anders, interessant, und die Schule nennt gute Zahlen. Trotzdem bleibt die Skepsis. Man fragt sich, woher die Abneigung gegenüber einer Messbarkeit von Leistungen rührt. Schule ohne Noten, Bundesjugendspiele ohne Maßband, Fußballspiele ohne das Zählen von Toren … Warum wollen plötzlich alle die Kinder in Kuschelwatte packen ...?
Dabei sind zertifizierte Leistungsunterschiede wichtig für die Motivation. Für die Guten, die für alle sichtbar den gerechten Lohn ihrer Anstrengungen einfahren. Und für die Schlechteren, die sehen, dass sie sich mehr anstrengen müssen.
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