Die G-20-Gastgeber, das ehemalige Stahlzentrum im Rostgürtel Amerikas, lebt heute von Bildung und Gestaltung.
Mit gerade einmal 29 Jahren zählt Luke Ravenstahl zu den ganz jungen Bürgermeistern, die eine amerikanische Großstadt managen. Dass er an der Spitze von G-20-Gastgeber Pittsburgh steht, ist indes kein Zufall, sondern Ausdruck des Wandels einer Stadt, die einmal der Inbegriff für den Zusammenbruch der klassischen Industriebasis in den USA war. Während das Rauchen der Schlote der Stahlfabriken lange Wohlstand signalisierte und Nikita Chruschtschow vor 50 Jahren hier einmal den größten Hersteller für Stahlmaschinen besuchte, ging es mit der Krise der Branche rapide bergab.
Anfang der 80er Jahre dachten die Amerikaner über Pittsburgh, was sie heute von der arg gebeutelten Autostadt Detroit erwarten. Dass die heruntergekommene Stadt langsam aber sicher von der Landkarte verschwinden wird. Den Niedergang markierte nichts so sehr wie der Verlust von mehr als 120 000 Jobs zwischen 1981 und 1984. Über die folgenden Jahre verlor Pittsburgh kontinuierlich an Einwohnern. Mit 311 000 hat sie heute nur noch halb so viele Bewohner und noch immer eine höhere Sterbe- als Geburtenrate.
Doch der Wandel der Stadt an den Ufern von drei Flüssen im Herzen Pennsylvanias ist unübersehbar. Und niemand repräsentiert den Wiederaufstieg Pittsburghs besser als Jung-Bürgermeister Ravenstahl. „Seit Anfang August strömen Journalisten, Sicherheitsexperten und politische Würdenträger in unsere Stadt”, freut sich der Obama-Unterstützer über das kostenlose Marketing.
Pittsburgh hat im Kleinen geschafft, was die G-20-Führer ein Jahr nach dem Beinahe-GAU an den internationalen Finanzmärkten versuchen - die Wirtschaft auf eine neue, nachhaltigere Basis zu stellen. Für die ehemalige Stahlmetropole bedeutete dies Diversifizierung. „Pittsburgh zeigt, dass sie sich nicht auf eine einzige Industrie verlassen dürfen”, erklärt Stadtforscher Christopher Briem von der University of Pennsylvania. Stattdessen bedurfte es massiver öffentlicher Hilfen, „Arbeiter umzuschulen und auf verschiedenen Wegen Geld in neue Branchen zu pumpen”.
Bürgermeister Ravenstahl kann stolz darauf verweisen, dass heute mehr als 100 Firmen mit einer Marktkapitalisierung von mehr als eine Milliarde US-Dollar einen Sitz in Pittsburgh haben. Die Arbeitslosen-Quote liegt mit 7,7 Prozent deutlich unter dem nationalen Durchschnitt. Die größten Arbeitgeber sind heute das Medizinische Zentrum der University of Pittsburgh mit seinen 20 Krankenhäusern und die weltberühmte Carnegie Mellon University. Hinzu kommt eine wachsende Filmindustrie, die von günstigen Steuern angezogen wird.
Mit dem Aufstieg der Bildungs- und Gesundheits- und Filmbranche ergrünte die Stadt. Ehemalige Fabrikgebäude an den Ufern des Allegheny Rivers bieten attraktiven Wohnraum für Newcomer. Der Tagungsort der G-20-Gipfelstürmer - der David L. Lawrence Convention Center - ist das erste Kongresszentrum, das das Ökosiegel des „US Green Building Councils” trägt.
Berühmte Geldbarone
Gewiss profitiert Pittsburgh auch von der Hinterlassenschaft seiner berühmten Geldbarone. Carnegie, Heinz und Mellon stiften rund 12 Milliarden Dollar - Geld, das in vielfältiger Weise zum Wiederaufstieg beitrug. Bürgermeister Ravenstahl meint, der Wandel seiner Stadt sollte die G-20-Führer motivieren. „Wir haben unser verrauchtes Image durch ein grünes ersetzt und gezeigt, wie man eine Volkswirtschaft neu erfinden und diversifizieren kann.”Inspirierend dürfte der Erfolg Pittsburghs allemal sein. NRZ
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