Essen. Der Kleinstaat Brunei führt die Todesstrafe für Homosexuelle ein. Thyssenkrupp will trotzdem an einem Milliardenprojekt in dem Land festhalten.
An diesem Mittwoch treten in dem kleinen, aber schwerreichen Sultanat Brunei auf der Insel Borneo härtere Gesetze in Kraft. Menschen, die bei gleichgeschlechtlichem Sex erwischt werden, droht die Todesstrafe durch Steinigung, Dieben die Amputation von Gliedmaßen.
Thyssenkrupp sieht trotzdem keinen Anlass, das wirtschaftliche Engagement in dem Land zu überdenken.
Brunei, ein Kleinstaat in dem knapp eine halbe Million Menschen leben, wird regiert von Hassanal Bolkiah, der dank der großen Öl- und Gasvorkommen des Landes als einer der reichsten Menschen der Welt gilt. Dass der 72-jährige Monarch nun auf eine rigide Umsetzung der islamischen Scharia drängt, ist weltweit auf Entsetzen und Empörung gestoßen.
Bundesregierung bestellt Botschafterin ein
So hat die Bundesregierung aus Protest die Botschafterin des Landes einbestellt und appelliert „bestehende internationale Menschenrechtsverpflichtungen einzuhalten“, wie es aus dem Auswärtigen Amt heißt.
Deutsche Unternehmen sind seit Jahren in Brunei auf vergleichsweise niedrigem Niveau engagiert, das bilaterale Handelsvolumen betrug im vergangenen Jahr 113,8 Millionen Euro, wobei der Export nach Brunei mit 112,7 Millionen Euro den Löwenanteil ausmachte.
Aus NRW wurden 2018 laut Landeswirtschaftsministerium Güter im Wert von 4,5 Millionen Euro nach Brunei exportiert, unter anderem Armaturen, Pumpen, Kompressoren und gebrauchte Maschinen.
Größtes Industrievorhaben in Brunei
Einen dicken Auftrag hat allerdings der Essener Industriekonzern Thyssenkrupp im Jahr 2017 an Land gezogen. Das Unternehmen baut im Sungai Liang Industrial Park eine Düngemittel-Fabrik.
Laut der deutschen Botschaft in Brunei ist das Projekt mit einem Gesamtvolumen von über einer Milliarde Euro das derzeit größte von Brunei finanzierte Industrievorhaben im Land.
Man sei stolz, gemeinsam mit dem staatlichen Betrieb Brunei Fertilizer Industrie die „Transformation des Landes hin zu einem diversifizierten Industriestandort voranzutreiben“, ließ sich Peter Feldhaus, der damalige Vorstandsvorsitzende des Geschäftsbereichs Industrial Solutions seinerzeit zitieren.
„Wir glauben nicht an Abschottung“
Die Transformation des Landes zu einem erzkonservativen Land mit drakonischen Strafen für Homosexuelle wird vorerst keinen Einfluss auf das Projekt haben. Der Bau der Düngemittelfabrik gebe „vielen sehr unterschiedlichen Menschen gute Arbeit“, so ein Thyssenkrupp-Sprecher auf Anfrage der NRZ.
„Wir glauben nicht an Abschottung, sondern an Dialog“, so der Sprecher weiter, weswegen man die aktuellen diplomatischen Bemühungen der Bundesregierung begrüße, auf die Führung von Brunei einzuwirken.
Zudem betonte der Sprecher: „Unsere Mitarbeitenden sollen sich frei zu ihrer Sexualität bekennen können.“
Auch Telekom-Tochter aktiv in Brunei
Ebenfalls in Brunei aktiv ist die Telekom-Tochter Detecon. Die Beratungsfirma soll laut der deutschen Botschaft in Brunei den Telekommunikationssektor des Landes neu ordnen. Auf NRZ-Anfrage zu dem Engagement sagt die Firma: „Grundsätzlich setzen wir uns bei einem Projekt mit den Gegebenheiten vor Ort auseinander und behalten uns vor, Entscheidungen zu überdenken.“
Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International erwartet von deutschen Unternehmen generell einen „konkreten Einsatz für die Menschenrechte in Ländern, in denen sie Geschäfte machen“.
Sollte es wie im Fall von Brunei „eindeutige Hinweise auf gravierende Menschenrechtsverletzungen geben, ist von Unternehmen zu erwarten, diese bei Kontakten mit den verantwortlichen Regierungen eindeutig anzusprechen“, so ein Sprecher.
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