Geschäftsführerin Marie Schellwat und Vorstandsvorsitzender Peter Külpmann von der Aids-Hilfe Duisburg/ Kreis Wesel informieren am Welt-Aids-Tag am 1. Dezember über das Thema HIV und Aids.
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Duisburg. HIV ist unter Therapie nicht mehr übertragbar – das aber wissen viele Menschen nicht. Der Welt-Aids-Tag am 1. Dezember informiert über das Thema.
In der gelben Schachtel von Respektomax liegt neben den zuckersüßen Tabletten eine zusammengefaltete Packungsbeilage. Denn, was ist das eigentlich für ein Medikament? Wie ist es zu verwenden? Und wie wirkt es? Fragen, die der Beipackzettel alle beantwortet. Zunächst zu den Wirkstoffen „Antistigmarovir und Antidiskrimirin“, die zwar auf den ersten Blick lustig erscheinen, doch bei genauerem Lesen nachdenklich stimmen… Respektomax „wird zur Behandlung zu mehr Wissen über das heutige Leben mit HIV und gegen chronische Vorurteile eingesetzt.“ Anzuwenden ist es hauptsächlich bei Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern im Gesundheitssystem. Denn gerade in dieser Branche, aber auch in anderen Bereichen, ist die Stigmatisierung und Diskriminierung von Menschen mit HIV ein großes Problem, auf das die Aids-Hilfe Duisburg/Kreis Wesel am diesjährigen Welt-Aids-Tag hinweisen möchte.
Aber braucht es im Jahr 2022 wirklich noch einen Welt-Aids-Tag? Ja, es hat sich in den vergangenen Jahren einiges getan, erklärt auch Vorstandsvorsitzender Peter Külpmann: „HIV ist unter Therapie nicht mehr übertragbar.“ Bereits nach wenigen Monaten der Medikamenteneinnahme ist eine Übertragung unmöglich, selbst beim ungeschützten Geschlechtsverkehr oder einer Geburt besteht dann keine Ansteckungsgefahr mehr. Das war vor 20 Jahren, als sein Bruder sich mit HIV infiziert hat, noch anders. „Ich wusste überhaupt nichts darüber“, erzählt er. Deshalb ist er damals zum Mittwochscafé in Duisburg gekommen, hat dort mit anderen HIV-Positiven und deren Angehörigen gesprochen. „Dadurch habe ich erst verstanden, in welcher Situation sich mein Bruder befindet.“ Seitdem engagiert er sich in der Aids-Hilfe, begleitet und berät HIV-Positive.
HIV-Positive haben eine normale Lebenserwartung
Früher ging’s noch viel um Sterbebegleitung, heute aber ist die Diagnose kein Todesurteil mehr. Bei rechtzeitiger Behandlung haben HIV-Positive eine normale Lebenserwartung. Deshalb informieren Peter Külpmann sowie die anderen Ehren- und Hauptamtlichen mittlerweile die Betroffenen hauptsächlich über Therapiemöglichkeiten oder bieten Gespräche über den Umgang mit der Infektion an. „HIV hat an Schrecken verloren“, sagt Geschäftsführerin Marie Schellwat. „Man kann gut damit leben.“ Und doch ist die Arbeit der Aids-Hilfe weiterhin wichtig, denn: „Die Stigmatisierung und Diskriminierung von Menschen mit HIV hat in den vergangenen Jahren zugenommen.“ Woran das liegt? An den rechten Strömungen, vermutet sie, die sich immer mehr durch die Parlamente ziehen. Dadurch mehren sich die Übergriffe auf die queere Community, wie zuletzt in Münster. „Hass und Hetze verlagert sich vom Internet auf die Straße“, sagt sie. Auch gegenüber HIV-Positiven.
Nein, nicht alles sei schlecht, das möchte Marie Schellwat betonen. „Gerade die junge Generation ist viel offener“, sagt sie. „Aber trotzdem ist Aufklärung wichtig, auch in Schulen.“ Denn noch immer sind veraltetes Wissen über HIV und unbegründete Ängste vor einer Übertragung weit verbreitet, auch – und hier kommt das „Medikament“ Respektomax ins Spiel – im Gesundheitssystem. „Einige Praxen nehmen überhaupt keine HIV-positiven Patienten an“, weiß sie. „Und in Krankenhäusern bekommen sie häufig für OPs nur Randtermine, weil danach alles angeblich besonders gründlich gereinigt werden müsste.“ Was Quatsch ist, stellt sie klar. Tatsächlich zeigt die 2020 durchgeführte Studie „positive stimmen 2.0“, dass 56 Prozent der Teilnehmenden bereits Diskriminierung im Gesundheitssystem erlebt haben, insbesondere in Zahnarztpraxen. Deshalb heißt es auch im Beipackzettel: „Sollten Sie eine der genannten diskriminierenden Verhaltensweisen in Ihrer Praxis feststellen, empfehlen wir dringend eine Therapie mit Respektomax!“
Das Motto der bundesweiten Kampagne zum Welt-Aids-Tag lautet „Leben mit HIV – anders als du denkst?“ Die Aids-Hilfe Duisburg/ Kreis Wesel sowie die Aids-Beratungsstelle der Stadt Duisburg bauen dazu am Donnerstag, 1. Dezember, einen Stand im Forum Duisburg auf, an dem Bürgermeisterin Edeltraud Klabuhn um 14.30 Uhr die Deklaration #positivarbeiten übergibt. Mit dieser Deklaration bekennt sich die Stadt Duisburg zu „gelebter Vielfalt und Inklusion“. So heißt es darin: „Bei uns sind HIV-positive Mitarbeiter*innen willkommen. Bei Diskriminierung schreiten wir ein und fördern ein offenes und respektvolles Miteinander.“ Außerdem startet am Forum um 18.30 Uhr der Candle-Light-Walk zum Gedenken an die Verstorbenen. Weitere Termine rund um den Welt-Aids-Tag sind zu finden unter www.aidshilfe-duisburg-kreiswesel.de
>>> Leben mit HIV – anders als du denkst?
In Nordrhein-Westfalen leben rund 20.000 Menschen mit HIV. Im Jahr 2021 ist die Zahl der Neuinfektionen im Vergleich zu 2019 um rund 21 Prozent zurückgegangen. Die Gründe dafür sind vielfältig – ein verändertes Sexual- und Testverhalten, aber auch das landesweit eingeschränkte Testangebot kann seinen Teil dazu beigetragen haben. Aktuell gibt es wieder ein wöchentliches Testangebot, im kommenden Jahr sollen dann wieder alle Angebote wie in der Zeit vor Corona möglich sein. Die Beratungsstelle des Gesundheitsamtes bietet nach Terminabsprache anonym, kostenlos und vertraulich HIV-Antikörperteste an. Termine können unter 0203/2837574 oder aids-stdberatung@stadt-duisburg.de vereinbart werden.
Durch „Herzenslust“, dem Präventionsprojekt der Aids-Hilfe für Männer, die Sex mit Männern haben (MSM), findet zudem in Duisburg drei Mal im Monat ein begleiteter Selbsttest für die Zielgruppe statt – jeden ersten Dienstag sowie jeden zweiten und vierten Mittwoch jeden Monats. Neu ist das Testangebot im Kreis Wesel. Dieses findet jeden dritten Dienstag im Monat abends in den Räumlichkeiten der Drogenberatungsstelle Wesel statt. Die Angebote sind kostenlos und anonym. Die Termine können telefonisch unter 0203/666633 oder unter www.aidshilfe-duisburg-kreiswesel.de vereinbart werden.
Auch der Kreis Kleve bietet zu dem Thema anonyme und kostenlose Beratungsgespräche an – unter 02821/85507 (Kleve) und unter 02831/391829 (Geldern). Weitere Informationen sind zu finden unter www.kreis-kleve.de