An Rhein und Ruhr. Der Duisburger Inkubator Anthropia betreut soziale und nachhaltige Start-ups. Neu-Unternehmen in der Region setzen immer mehr auf Nachhaltigkeit
Unternehmensbroschüren reihen sich auf Klemmbrettchen an der Wand im Besprechungsraum aneinander, „langsam wird es hier eng“, sagt Anthropia-Geschäftsführer Oliver Kuschel und lacht. „Aber im Treppenhaus ist ja noch etwas Platz“, fügt er hinzu. Das Gebäude auf dem Haniel-Campus in Duisburg-Ruhrort ist die „Heimat für Zukunftsmacher:innen“, so nennt Kuschel das Unternehmen Anthropia.
2018 gründete der gebürtige Essener gemeinsam mit Dirk Sander die gemeinnützige Trägergesellschaft der Impact Factory, einem Entwicklungsprogramm für wirkungsorientierte Start-ups in Deutschland. Der Fokus der Gründerteams liegt bei Anthropia auf nachhaltigen und sozialen Start-ups.
Verfolgung der 17 Ziele zur nachhaltigen Entwicklung
Jedes Unternehmen, das betreut wird, verfolge mindestens eines der 17 Ziele, die weltweit der Sicherung einer nachhaltigen Entwicklung auf ökonomischer, sozialer und ökologischer Ebene dienen sollen – festgelegt von den Vereinten Nationen.
Aber Nachhaltigkeit mit Industrieregion verbinden, geht das? Ja, findet Oliver Kuschel. Aktuell sind in der Datenbank startups.nrw 1935 Gründerfirmen gelistet. Davon stammen 344 Start-ups aus dem Ruhrgebiet und 61 vom Niederrhein. Dass das Thema Nachhaltigkeit bei Unternehmensgründungen immer weiter in den Vordergrund rückt, ist für Kuschel logisch. „Die ökologischen und sozialen Herausforderungen unserer Region verbunden mit einer einzigartigen Industriedichte sind ein wahres Biotop für die Erprobung der Geschäftsmodelle unserer Gründerinnen und Gründer. Das ist super attraktiv für Start-ups“, sagt der Geschäftsführer.
Trend zu Nachhaltigkeit
Und tatsächlich setzen immer mehr Unternehmensgründer- und Gründerinnen auf Nachhaltigkeit. Kai Hagenbruck, Betriebs- und Gründungsberater der IHK Niederrhein erklärt im Gespräch mit der NRZ: „Es ist ein starker Wandel dahin festzustellen.“ Einerseits seien es staatliche Richtlinien, die Neugründerinnen und Neugründer zur Nachhaltigkeit verpflichten, andererseits rücke die Thematik aber auch aus eigener Motivation in den Fokus. „Es ist natürlich auch ein Trend. Gerade jüngere Gründer achten mehr auf Dinge wie Umwelt- und Klimaschutz“, so Hagenbruck.
Auch in Zukunft rechne beispielsweise die IHK Düsseldorf mit mehr Gründerteams, die sich das Thema Nachhaltigkeit auf die Fahne schreiben. „Allgemein gesprochen wissen wir, dass die Unternehmen ihre Schmerzpunkte in den Themenbereichen Digitalisierung, Fachkräftemangel und Nachhaltigkeit sehen.“
Alle sechs Monate können sich Start-ups bei Anthropia bewerben
Zu dem letztgenannten Aspekt kämen noch die rasant gestiegenen Kosten und die Verfügbarkeit von Energie und Rohstoffen hinzu. „Ich erwarte daher, dass Start-ups insbesondere zu diesen Trendthemen innovative Lösungen entwickeln und anbieten werden“, so Dr. Nikolaus Paffenholz, Leiter vom Unternehmensservice der Düsseldorfer IHK.
Eben jene Start-ups können sich alle sechs Monate in Duisburg bewerben – egal, ob bisher nur eine Idee besteht, oder schon ein Produkt auf dem Markt ist, Gründerinnen und Gründer erhalten individuelle Möglichkeiten – das war anfangs ein Alleinstellungsmerkmal, erklärt Kuschel. Die Förderung laufe ideell, nicht finanziell, in Workshops, organisiert von Partnerunternehmen, kooperierenden Hochschulen und Kammern werden den Unternehmern rechtliche und betriebswirtschaftliche Themen vermittelt.
Fokus auf Zusammenarbeit mit ansässigen Industrieunternehmen im Ruhrgebiet
Als Oliver Kuschel und Dirk Sander das Programm starteten, sei das Ziel gewesen, einen regionalen Fokus zu setzen und im Laufe der Zeit erst andere Standorte zu eröffnen. „Das hat sich aber schnell in die andere Richtung entwickelt“, erzählt Kuschel. Mittlerweile betreut Anthropia Start-ups aus ganz Deutschland und darüber hinaus – unter anderem Unternehmensgründer aus der Schweiz, aus Österreich und Spanien.
Als „der größte Inkubator für Nachhaltigkeit in ganz Deutschland“ bezeichnet Oliver Kuschel das Unternehmen – der Blick aber trotzdem immer auf unsere Region gerichtet. So fokussiert sich das Unternehmen auf sogenannte B2B-Start-Ups – also Start-ups, die den Anschluss zu ortsansässigen Industrieunternehmen im Ruhrgebiet suchen.
Und das sei etwas, worauf Geschäftsführer Oliver Kuschel besonders stolz ist: „Wir sind wirklich froh, dass wir es geschafft haben, Innovatoren herzuholen, die mit ihren Produkten etwas für unsere heimische Industrieregion tun“. Ziel der Unternehmung sei es – angelehnt an Haniels Nachhaltigkeitsstrategie – eine „enkelfähige“ Zukunft zu schaffen und den nachhaltigen Wandel der Wirtschaft anzutreiben, auch im Ruhrgebiet.
NRZ-Solidaritätspreis:
Der 7. Solidaritätspreis von Freddy Fischer Stiftung und NRZ trägt das Motto: „Wir für das Klima – Solidarität mit dem Planeten“. Im Fokus stehen Personen, Initiativen und junge Unternehmen, die sich mit guten Ideen, auch mit guten Geschäftsideen, mit großem Einsatz und als gute Vorbilder für das Abbremsen der Klimaerwärmung, für Umweltschutz und auch für eine notwendige Anpassung an unvermeidliche Veränderungen einsetzen. Der Preis ist insgesamt dotiert mit 10.000 Euro, 5000 Euro gibt es für den 1. Preis, 500 Euro für Platz 5. Reinhard Wiesemann, Jury-Mitglied und Sozialunternehmer, stiftet einen Sonderpreis in Höhe von 2500 Euro. Wir freuen uns auf Ihre Vorschläge. Schreiben Sie bitte bis Mitte Februar an: NRZ, Seite Drei, Stichwort: Solidaritätspreis, Jakob-Funke-Platz 1, 45127 Essen. Oder schicken Sie eine Mail an seitedrei@nrz.de, Betreff: Solidaritätspreis. Reichen Sie bitte auch – wenn vorhanden – Berichte, Videos oder weitere Informationen zu dem von Ihnen gemachten Vorschlag ein.
Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Niederrhein