Wesel. Die Tischtennis-Abteilung von GW Flüren bringt in Wesel lebenden Flüchtlingen das Spiel mit der Zelluloidkugel näher. Dabei wird auf Deutsch gezählt.
„Zwei zu eins“, schallt es durch den Raum. Doch die Zählweise täuscht. Sie sagt wenig darüber aus, woher die jungen Männer stammen, die sich mit großer Begeisterung, aber doch noch recht vorsichtig die Bälle zuspielen. „Fast alle zählen auf Deutsch“,sagt Dieter Kiehle. Dem Tischtennis-Abteilungsleiter von GW Flüren ist die Freude anzumerken über das, was er und seine Vereinskollegen da ins Rollen gebracht haben.
Seit dem 21. Dezember lädt der Verein jeden Montag von 17 bis 19 Uhr in Wesel untergebrachte Flüchtlinge in den Keller des Andreas-Vesalius-Gymnasiums (AVG) ein. Dort warten neun Tischtennisplatten auf Menschen unterschiedlicher Herkunftsländer. Angeleitet werden sie von den Grün-Weißen. „Ich hätte gedacht, dass es schwieriger würde, dafür Helfer im Verein zu finden. Aber ich hatte sofort zehn Leute zusammen“, so Kiehle. Dabei ist die Unterstützung aus den eigenen Reihen in der Altersstruktur breit gefächert und reicht vom eigenen Sohn Björn bis hin zum 71-jährigen Routinier Peter Hoserek.
Versicherungsfragen ungeklärt
Steffen Qual, 2. Vorsitzender der Grün-Weißen und Lehrer am AVG, hatte in Kooperation mit Horst Kästner von der Flüchtlingshilfe Wesel den Kontakt hergestellt und den Raum organisiert. Das Interesse variierte anfangs stark. Von 23 bis zu vier Teilnehmern reichte die Bandbreite. „Mittlerweile hat es sich bei durchschnittlich zehn Tischtennis-Interessenten eingependelt“, erzählt Kiehle.
Für den Großteil der aus Syrien und dem Irak stammenden Männer ist es der Erstkontakt mit dem Sport Tischtennis. In erster Linie geht es bei solchen Angeboten natürlich um Integration, Gemeinschaft, soziale Kontakte und Bewegung. „Aber wir wollen den Menschen auch unseren Sport näherbringen und sie dafür begeistern“, so Kiehle, der es toll fände, wenn „demnächst der ein oder andere dienstags und donnerstags zum Training zu uns nach Flüren kommen würde“.
Doch bei aller Hilfsbereitschaft hätte der Flürener Tischtennis-Abteilungsleiter auch gerne möglichst schnell eine Antwort auf drängende Versicherungsfragen. Denn was passiert, wenn in den Räumen des AVG oder beim Training bei GWF – ohne als zahlendes Mitglied registriert zu sein – sich beispielsweise jemand den Fuß bricht? „Dazu konnte mir noch niemand verbindlich etwas sagen“, so Dieter Kiehle.
Als einzige Frau und aus anderen Beweggründen steht Andreja Mai an der Platte. Die Slowenin erteilt Deutschunterricht an der Volkshochschule und ist ganz nebenbei auch noch Übungsleiterin in gleich vier Vereinen für Reha-Sport. Angesprochen auf ihre Erfahrungen in der Flüchtlingsarbeit gerät sie ins Schwärmen. „Ich hatte am Anfang auch ein wenig Angst. Aber die jungen Männer sind unglaublich nett und höflich“, sagt die 37-Jährige, die erst seit drei Jahren in Deutschland lebt und die Sprache fast perfekt beherrscht. „Ich bin eine kleine Streberin und mein Mann ist Deutscher“, verrät Mai, die ihre Tischtennis-Partner teilweise auch an der VHS unterrichtet. „Sie lernen fünf Stunden am Tag deutsch, sind sehr fleißig, bedanken sich für alles und entschuldigen sich immer, wenn sie mal etwas falsch gemacht haben“, erzählt die quirlige Lehrerin. Dieter Kiehle nickt zustimmend. „Ich weiß jetzt schon: Wenn der nächste Kurs zu Ende geht, werde ich weinen“, so Andreja Mai.
Warum sich unter den Gästen im Keller des AVG kaum bis gar keine Frauen befinden, dafür haben die Organisatoren auch keine endgültige Erklärung. An der Gastfreundschaft der Grün-Weißen und ihrer Unterstützerin Andreja Mai kann es jedenfalls nicht liegen. Denn sie führen in Sachen Hilfsbereitschaft für Menschen, die aus Angst um ihr Leben ihre geliebte Heimat verlassen mussten, gegenüber den zahlreichen Nörglern, Nichtstuern und Hetzern in dieser Republik weitaus deutlicher als „zwei zu eins“.
Mehr Artikel aus dieser Rubrik gibt's hier: Wesel Hamminkeln Schermbeck