Schienenverkehr

Kreis Wesel: Neue Zahlen zur Walsumbahn erst im Herbst

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Die heute Walsumbahn genannte ehemalige Hochbahn führt, von Bäumen umrahmt, durch Walsum, Dinslaken-Eppinghoven und Voerde.

Die heute Walsumbahn genannte ehemalige Hochbahn führt, von Bäumen umrahmt, durch Walsum, Dinslaken-Eppinghoven und Voerde.

Foto: Hans Blossey / www.blossey.eu

Voerde/Dinslaken.  An neuer Machbarkeitsstudie zur Reaktivierung der Strecke wird laut VRR auf Hochtouren gearbeitet. Bisher keine konkreten Pläne der Umsetzung.

Zum Anfang der Planungen war die Reaktivierung der alten Hochbahn, heute Walsumbahn genannt, zum Greifen nahe. Die einzige Entscheidung für die Politik schien es zu sein, welche der beiden Varianten den Vorzug erhalten soll. Denn von vier Möglichkeiten schätzte der Verkehrsverbund Rhein-Ruhr (VRR) zwei als wirtschaftlich machbar ein: die Variante 2 mit einem Halbstundentakt von Wesel nach Essen mit der S3. Dazu, so hieß es, müssten Gleise neu angebunden werden, zusätzliche Weichen gebaut und die Leit- und Sicherheitstechnik erneuert werden. Kostenpunkt: rund 48 Mio. Euro.

Zudem müssten auf der Strecke Beschleunigungen umgesetzt werden, denn nur der Streckenabschnitt von Oberhausen bis Walsum ist heute mit 90 km/h befahrbar, die Strecke von Walsum bis Spellen ist wegen des Charakters einer Nebenstrecke auf 50 km/h begrenzt. Dafür befinde sich die Strecke Möllen bis Spellen, da 2010 erneuert, in bestem Zustand, so der frühere Eisenbahner Heinrich Wuwer.

Bei Variante 4: Bauwerk über den Rhein-Herne-Kanal müsste errichtet werden

Die Variante 4 sieht eine Verbindung von Wesel nach Oberhausen vor. Hier sollte ebenfalls die S 3 verkehren und zwar parallel in einem Halbstundentakt von Duisburg-Overbruch über Oberhausen und Duisburg Hbf nach Moers und Xanten. Auf der Strecke der Walsumbahn müssten beide im 15-Minuten-Takt fahren. Die Kosten wurden auf rund 199 Mio. Euro beziffert, da hier noch ein Bauwerk über den Rhein-Herne-Kanal gebaut werden müsste.

Doch nun ist alles wieder auf Anfang gestellt. Denn die Zahlen, mit denen der VRR plante, stammten aus dem Baukostenindex von 2016. Ein üblicher Vorgang, doch inzwischen sind die ermittelten Infrastrukturkosten konkretisiert worden (Variante 2: ca. 82 Mio. Euro, Variante 4: etwa 248 Mio. Euro). Die Preise explodieren derzeit, so dass Teile der Politik eine neue Berechnung forderten. An der neuen Machbarkeitsstudie werde auf Hochtouren gearbeitet, so Dino Niemann vom VRR. Mehr könne er zur Entwicklung nicht sagen. „Zum jetzigen Zeitpunkt können wir nicht beurteilen, wie sich die Kostenentwicklung auswirken wird“, so der Pressesprecher des Verkehrsverbundes.

Walsumbahn für den Förderrichtlinien-Planungsvorrat beim Land NRW angemeldet

Unabhängig vom Abschluss der Machbarkeitsstudie hat der VRR die Walsumbahn für den Förderrichtlinien-Planungsvorrat beim Land NRW angemeldet, um weitere Finanzmittel für die nachfolgenden Planungsstufen zu erhalten. Eine Entscheidung des Landes zur Aufnahme in den Planungsvorrat wird im Sommer erwartet, die neue Machbarkeitsstudie jedoch erst im Herbst.

Weder über den tatsächlichen Gleisverlauf noch über die Frage, wie denn die Strecke nach Wesel über Kanal und Lippe geführt werden soll, konnte beantwortet werden. Lediglich die vorgesehenen Haltepunkte sind vom VRR genannt: Wesel - Spellen - Voerde West - Möllen - Dinslaken Eppinghoven - DU-Overbruch - DU-Walsum - DU-Fahrn - DU-Marxloh - DU-Hamborn/Röttgersbach - DU-Neumühl - OB-Buschhausen. Wo genau allerdings die neuen Haltepunkte entstehen werden, vermochte Niemann nicht zu sagen. Ein Versprechen konnte er geben: Barrierefrei sollen sie sein.

Die Anlagen für den Personenverkehr sind jedoch heute nicht mehr gegeben oder aber derart heruntergekommen, dass sie nicht mehr genutzt werden können. Zugleich sind die Bahnhöfe in früheren Zeiten in private Hände gegeben worden, so dass auch hier eine Reaktivierung nicht mehr möglich scheint. In Möllen beispielsweise ist die frühere Tunnelanlage der Hochbahn gar nicht mehr vorhanden, erklärt Heinrich Wuwer.

Immerhin wurde die Beförderung von Personen auf der alten Hochbahn 1963 (bis Spellen) bzw. 1983 eingestellt. Nur noch gelegentlich verkehren Sonderzüge des Personenverkehrs mit eisenbahnhistorischem Hintergrund auf der Strecke, ansonsten gehört die alte Bahn ganz dem Güterverkehr.

Dabei hat die Strecke einmal gut floriert, nachdem sie am 15. Oktober 1912 eingeweiht worden war. Aus dem Ruhrgebiet kamen die Sommerausflügler sogar mit den Zügen nach Götterswickerhamm. Von Oberhausen bis nach Wesel führte die Strecke, als Parallele zur Hollandlinie Oberhausen - Arnheim. Einen Bahnhof in Dinslaken-Eppinghoven gab es damals nicht, wohl aber drei in Voerde: Möllen mit einem steinernen Bahnhofsgebäude, Löhnen mit einem überdachten Haltepunkt und schließlich Spellen, ebenfalls mit einem Gebäude aus Stein gebaut. Hier gab es sogar aufgrund der adligen Herrschaften einen Warteraum der ersten und der zweiten Klasse.

Mehrere Strecken liefen zusammen

Über eine Kanalbrücke, die 1945 von den Deutschen in den letzten Kriegstagen zerstört wurde, ging es ins benachbarte Wesel, das mit der Hochbahn eine zweite Verbindung nach Oberhausen erhielt. Da die Aufnahmekapazität des Bahnhofs Wesel jedoch erschöpft war, wurde für den Personenverkehr ein kleiner Vorbahnhof, Hamborner Bahnhof genannt, mit einem eigenen Empfangsgebäude aus Holz in Betrieb genommen, das im Südwesten des Bahnhofs lag. Die Güterzüge konnten hingegen direkt in den Weseler Bahnhof einfahren. Der Vorbahnhof wurde in den 1930er Jahren aufgelassen und in den eigentlichen Bahnhof einbezogen, der zu jener Zeit ebenfalls umgebaut wurde.

Nicht nur die Hochbahn endete in Wesel, es liefen mehrere Strecken zusammen: Dinslaken - Emmerich (20.10.1856), Haltern - Wesel (1874), Wesel - Venlo (1874), die Werftbahn Wesel (1878), Büderich - Goch - Boxtel/NL (1878), Wesel - Bocholt (1878), die Hafenbahn Wesel (1878). Geblieben ist davon heute nur noch die Holland-Linie, die heutige Betuwe, und neuerdings wieder die Strecke Wesel - Bocholt. Auch die Gleise zum Hafen liegen noch. Vom Glanz des früheren Liniensterns im Nordwesten der BRD mit Schwerpunkt in die Niederlande und sogar bis nach London ist nichts mehr geblieben.

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