Dortmund. Mehr als 15 Millionen Fans hat der BVB bei Facebook, bei Instagram sind es über 4 Millionen und bei Twitter über 2,7 Millionen. Beeindruckende Zahlen. Betreut werden die Kanäle unter anderem von Peter Flore (Redakteur Neue Medien) und David Görges (Leiter Neue Medien). Wir haben mit ihnen gesprochen.
Herr Görges, Sie sind seit 2011 beim BVB. Wir haben kurz nach Ihrem Dienstantritt zum ersten Mal miteinander gesprochen. Damals hatte der Verein rund 600.000 Facebook-Freunde und 15.000 Follower bei Twitter. Bei Facebook sind es heute mehr als 15 Millionen Fans, bei Twitter über 2,7 Millionen. Zufrieden mit der Entwicklung?
David Görges: Sehr zufrieden. Es sind Kanäle entstanden, wo vorher nichts war. Als Verein muss man sich stets die Millionen-Reichweiten vor Augen führen, die mittlerweile - unabhängig von Dritten - auf den digitalen Kanälen erzielt werden.
Peter Flore: Die Verantwortung wird durch die große Reichweite auch nicht kleiner. Allgemein gesprochen: Ich glaube, dass es heutzutage kaum mehr ein Unternehmen gibt, das die Neuen Medien nicht selbstverständlich in seine Kommunikation einbindet.
Welche Ziele verfolgt der BVB im Social Web? Wie sieht die Strategie aus?
David Görges: Wir haben eine klare Strategie, was das Digitale angeht: 'Follow your fan'. Wir schauen zunächst, auf welchen Plattformen unsere Fans bereits unterwegs sind und ob diese Kanäle in der Lebenswirklichkeit unserer Fans angekommen sind. Facebook und Twitter sind dafür gute Beispiele. Dann entwickeln wir ein adäquates Konzept, um die Kanäle entsprechend ihres Charakters zu bespielen. Wir müssen hierbei nicht zwangsläufig die Ersten sein, um uns bei Außenstehenden als Innovator rühmen zu können; vielmehr treibt uns um, ob unsere Fans wollen, dass wir diesen Kanal mit BVB-Inhalten bespielen. Es geht also nicht um Selbstverwirklichung, sondern darum, unseren Fans idealtypische Anlaufstationen in der digitalen Welt zu liefern.
Peter Flore:Über unsere Kanäle können wir - auch außerhalb des Stadions - das Lebensgefühl Borussia Dortmund vermitteln: 24 Stunden, sieben Tage die Woche. Wir sind ein bisschen das Schlüsselloch für die, die nicht nah an uns oder der Mannschaft sein können und wollen auf Augenhöhe mit den Fans das Geschehen rund um den BVB abbilden. Und zwar mit all seinen Facetten. Dazu gehört intensives Jubeln, aber auch intensives Leiden. Ich vergleiche das gerne mit dem geselligen Fußballgucken in der Kneipe: Unser Ansatz ist nie, 1:1 nachzuerzählen, was auf dem Rasen passiert. Wir wollen das Gefühl transportieren und multiplizieren, was dabei entsteht.
Können Sie dafür ein, zwei konkrete Beispiele nennen?
Peter Flore: Extrembeispiele bleiben oft hängen. Das extrem positive Beispiel ist das 3:2 gegen Mlaga, die Niederlage in Liverpool war dagegen besonders schmerzhaft. Wir haben es da aber offenbar geschafft, die schier unglaubliche Enttäuschung in Bilder und Worte zu fassen. Wir waren ernstlich geschockt - das hat man uns auch auf Facebook und Twitter angemerkt, da gab es kein reflexhaftes Aufmuntern, weil es eine Niederlage möglicherweise vorschreibt, so zu reagieren. Wir reagieren letztlich oft auf das, was unmittelbar unten auf dem Feld passiert. Ein Drehbuch kann es dafür per se nicht geben.
David Görges: Das Schöne an den digitalen Kanälen ist ja, dass wir unmittelbar, über Grenzen hinweg kommunizieren können. So erreichen wir auch die BVB-Fans im Ausland und können das Geschehen live transportieren. Das ermöglicht natürlich ein ganz anderes Erleben und Mitfiebern.
Auf welchen Plattformen sind die BVB-Fans unterwegs? Welche Kanäle sind die wichtigsten für den Verein?
David Görges: Es kommt immer ganz darauf an, wen man erreichen möchte. Nehmen wir zum Beispiel Twitter: Für uns ist es vor allem deshalb ein wichtiger Kanal, weil wir hier Journalisten, Blogger und Medienschaffende schnell erreichen; also wichtige digitale Multiplikatoren. Nichtsdestotrotz ist Facebook für uns der reichweitenstärkste Kanal, der durch seine starke interaktive Komponente die Stimmung der Fans gut widerspiegelt. Instagram hingegen ist ein Kanal, der stärker auf das Visuelle setzt; er ist vor allem für die großartigen Bilder unseres Klubfotografen eine ideale Plattform und zielt noch einmal auf eine jüngere Zielgruppe. Schlussendlich ist das, was auf den Kanälen stattfindet, entscheidend.
Peter Flore: Am Ende reden wir hier über Erzählformen. Ein Beispiel: Eine Plattform wie Snapchat hat eine neue Erzählform, nämlich die der Stories, etabliert, die inzwischen von anderen Kanälen übernommen wurde. Wichtiger als der Kanal ist dann eher die Frage: Wie setzt du deine Geschichte für den richtig um? ? Welche Form gibst du ihr?
Der 1. FC Köln nutzt nach eigenen Angaben als erster Fußballklub weltweit Musical.ly, eine App zum Drehen und teilen von Playback-Musikvideos. Wann zieht der BVB nach?
David Görges: Wir wollen die Kanäle bedienen, die eine relevante Masse unserer Fans erreichen. Wir sind nicht die junge, hippe Agentur und gucken, welchen Hype es derzeit gibt, sondern haben am Ende genau eine Aufgabe: Wir wollen unsere Fans dort begleiten, wo sie von sich aus unterwegs sind. Die Fans sollen nicht uns folgen, wir folgen ihnen. Der Start von Instagram ist hier ein gutes Beispiel: Sowohl Schalke als auch Bayern waren vor uns dort. Wir sind gestartet, als sich der Kanal bei unseren Fans etabliert hat. Trotzdem haben wir Schalke relativ schnell hinter uns gelassen und uns bei den Followerzahlen den anderen Kanälen angeglichen. Unsere Strategie hat sich ausgezahlt. Wir sind in der glücklichen Position, als Einzige in der Lage zu sein, den offiziellen Kanal von Borussia Dortmund zu starten; das hilft natürlich bei dieser Strategie. Der Kanal Musical.ly wird interessant, wenn er nachhaltig relevante Reichweiten bei unseren Fans erzielt.
Im Gespräch: David Görges (l.) und Peter Flore. Foto: Dieter Menne
Der FC Bayern München führt die Bundesliga-Tabelle im Social Web an. Ein Großteil seiner Facebook-Fans, etwa 80 Prozent, kommen aus dem Ausland. Wie ist das beim BVB?
David Görges: In etwa genauso, rund Dreiviertel. Die digitalen Medien haben auch uns gezeigt, wie viele schwarzgelbe Fans es im Ausland gibt und dass sie sich sehr aktiv mit den Geschehnissen rund um den Verein auseinandersetzen. Es hilft uns hier enorm, dass wir Inhalte gezielt an verschiedene Regionen aussteuern können; so haben wir möglichst wenig Streuverluste.
Peter Flore: Das stellt uns vor die Herausforderung, unterschiedliche Inhalte für unterschiedliche Adressaten zu liefern. Von den Fans in Asien wissen wir zum Beispiel, dass sie viel personenbezogener unterwegs sind als deutsche Fans. Da sind die vermeintlichen Starspieler wichtig: Marco Reus, Pierre-Emerick Aubameyang, nicht zuletzt auch Shinji Kagawa für unsere japanischen Fans.
Steigert der Verein durch Social Media die Erlöse im Merchandising?
David Görges: Selbstverständlich. Auch dies bezieht sich wieder auf die Lebenswirklichkeit der Fans: wenn ich früher Anzeigen in Magazinen geschaltet habe, um die Menschen zu erreichen, passiert das heute auch auf unseren digitalen Kanälen. Ein logischer Schluss. Eine Zahl, die wir nennen können: Der Online-Umsatz macht mittlerweile etwa 50 Prozent aus.
Ist die riesige Reichweite der Vereine im Social Web auch eine Gefahr? Wird es dem Fan irgendwann zu viel?
David Görges: Ich empfinde diese eigene Reichweite als ein sehr positives Phänomen. Der verantwortungsvolle Umgang damit ist wichtig: wir machen uns stets bewusst, dass wir nur der Begleiter des Kerngeschäfts sind. Und das findet auf dem Platz statt. Wenn die elf Spieler auf dem Rasen aufhören Fußball zu spielen, gibt es keine relevanten Inhalte mehr. Wir dürfen das intensive Fußballerlebnis begleiten, das ist unsere Sichtweise. Ich sehe die digitale Entwicklung für die Vereine daher positiv, weil Leidenschaft miteinander geteilt wird - das verbindet.
Nach dem Anschlag auf den BVB-Mannschaftsbus Anfang April gab es hinterher viel Lob für die Krisenkommunikation im Social Web...
Peter Flore: Wir haben schon mitbekommen, dass wir das offenbar nicht ganz so schlecht gemacht haben. Das kann aber keine Garantie dafür sein, dass es beim nächsten Mal genauso läuft. Die Aktion #bedforawayfans etwa kam nicht von uns. Wir haben lediglich als Verstärker fungiert. Was aber wichtig war, weil wir durch unsere Reichweite dafür Sorge getragen haben, dass diese Aktion flächendeckend funktioniert hat.
David Görges: Es geht in gewisser Weise auch darum, Kommunikation zu begrenzen, da in diesem Moment eine Menge Information gefiltert werden muss. Im Sinne aller geht es darum, sachlich zu bleiben, nicht zu emotionalisieren. #bedforawayfans war deshalb so großartig, weil es neben der Anteilnahme auch einen unmittelbaren Nutzen gebracht hat.
Auch Profis machen ja Fehler. Gibt es einen Post, den Sie heute nicht mehr so absetzen würden?
Peter Flore: Die gibt es immer mal wieder. Die Frage ist: Was wird intern als Fehler bewertet, was extern? Es gibt in der Nachbetrachtung immer Nuancen, die man ändern könnte oder würde. Fehler, die intern auch als solche bewertet werden, sollten allerdings auch intern bleiben.
David Görges: Die Konkurrenz um die Aufmerksamkeit auf den digitalen Kanälen wird immer stärker. Wir brauchen gute Inhalte, um stattzufinden, um Relevanz zu erzeugen. Und da kann man sich bei dem einen oder anderen Posting schon fragen: War es emotional genug? Hatte es genügend Mehrwert für unsere Fans? Daran sollten wir arbeiten.
Sie verfolgen ja auch sicher andere Bundesligisten im Social Web. In der Halbzeitpause des Pokalhalbfinals hat der FC Bayern eine umfallende Katze im BVB-Dress getwittert. Wir sehr haben Sie sich nach Spielschluss darüber amüsiert?
Peter Flore: Ich freue mich in dem Fall gar nicht darüber. Ich finde es grundsätzlich gut, wenn man mutig ist. Dass man im Sport manchmal als sicherer Sieger aussieht und dann doch nicht gewinnt, davon können insbesondere wir ein Lied singen. Ich empfand den Tweet auch gar nicht arrogant. Zur Halbzeit sahen die Bayern wie der sichere Sieger aus, dem haben sie Ausdruck verliehen. Das ist authentisch.
David Görges: Eigentlich ist es begrüßenswert. Wenn wir uns als Fußballvereine mehr trauen wollen, wenn wir eine höhere Relevanz erzeugen wollen, dann ist Mut der richtige Weg dazu. Davon könnten wir noch mehr gebrauchen. Schadenfreude ist dann fehl am Platze.
Blick nach vorne: Neben noch mehr Mut - welche Ziele verfolgt der BVB im Bereich Social Media in den nächsten Monaten?That first half in GIF form... #MiaSanMia#DFBPokal#FCBBVB 2-1 pic.twitter.com/hnNVblNLkK
- FC Bayern English (@FCBayernEN) 26. April 2017
David Görges: Wir wollen noch zwei weitere Kanäle besetzen: Snapchat und Youtube. Letzterer soll nicht länger nur als Video-Ablage fungieren, sondern innovative Formate, adäquat für diese Plattform, liefern. Wir glauben, dass der von uns verfolgte Ansatz beim Youtube-Kanal so noch nicht in der Bundesliga genutzt wird. Darauf freuen wir uns.
Peter Flore: Wir wollen Formate entwickeln. Und die Kanäle weiter diversifizieren und qualitativ verbessern: Wie sehen ideale Bewegtbildinhalte bei Facebook aus? Wie bei Snapchat? Wie bei YouTube? Am Ende geht es wieder auch um Erzählformen. Wir wollen die Geschichte von Borussia Dortmund digital weiter verbreiten.