Kleve. Klever Politik diskutiert, ob Muslimen die Beisetzung nach islamischem Bestattungsritus erlaubt wird. Welche Freiheiten gelten für alle Bürger?
Diese Diskussion aus dem Hauptausschuss soll noch fortgesetzt werden: Soll es künftig auf den städtischen Friedhöfen in Kleve erlaubt sein, Menschen alleine im Leichentuch auch ohne Sarg zu beerdigen? Grund zur Debatte war ein Antrag des Integrationsrates vom Juni 2021, auf städtischen Friedhöfen ein Areal zur Bestattung von Klever Bürgerinnen und Bürger muslimischen Glaubens auszuweisen, unter Berücksichtigung der islamischen Riten.
Bisher sind Sarg- beziehungsweise Urnenpflicht vorgeschrieben
Die Verwaltung prüfte und schlug vor, die Friedhofssatzung der Stadt Kleve zu ändern. Der Integrationsrat hatte ausführlich darüber debattiert und die Vorlage wohlwollend zur Kenntnis genommen. Im Hauptausschuss war die Meinung nicht so klar.
Nach islamischem Bestattungsritus wird der Leichnam nach der rituellen Waschung (auch heute schon bei Bestattungsinstituten möglich) in Leichentücher gewickelt, in denen er später ins Grab gelegt wird. Bisher schreibt die Friedhofssatzung Kleve ausdrücklich eine Sarg- beziehungsweise Urnenpflicht vor. Es wäre also eine Ausnahmeregelung für sarglose Bestattungen nötig. Für eine solche Sonderleistung würden möglicherweise zusätzliche Kosten anfallen.
Andernorts dürfen Angehörige nicht allein die Gräber ausheben
Ritus der Muslime ist auch, das Grab durch männliche Angehörige selbst zu öffnen und zu schließen – bisher ist vorgeschrieben, dass dies die Friedhofsverwaltung übernimmt. Wegen haftungsrechtlicher Probleme werde dies den muslimischen Angehörigen auf vielen Friedhöfen in Deutschland aber nur unter Mithilfe des Friedhofspersonals gestattet, so die Verwaltung.
Ausrichten der Grabstelle nach Mekka
Keine Satzungsänderung wäre nötig, um ein Grab laut muslimischem Bestattungsritus auszurichten: der Leichnam auf der rechten Seite liegend, von Deutschland aus gesehen mit dem Kopf nach Südwesten und den Füßen nach Nordosten, mit dem Antlitz in Richtung Mekka. Zudem sind Muslime in einem „jungfräulichen Boden“, in dem zuvor noch keine Bestattungen erfolgten, beizusetzen.
Bei einem Ortstermin, an dem Vertreter der Politik und der Verwaltung teilnahmen, wurde eine entsprechende Fläche auf dem Klever Friedhof an der Merowingerstraße gefunden, ein Ort, an dem eine ewige Totenruhe gewährleistet wird. Das können die bestehenden Regelungen in Kleves Friedhofssatzung nämlich bisher nicht garantieren. Denn bei Wahlgrabstätten gilt eine Nutzungszeit von 30 Jahren, was per Antrag um jeweils bis zu 20 Jahre verlängert werden kann.
Nach islamischer Tradition hat eine Bestattung innerhalb von 24 Stunden nach der Feststellung des Todes zu erfolgen. Doch nach der landesrechtlichen Vorschrift dürfen Erdbestattungen frühestens 24 Stunden nach Eintritt des Todes vorgenommen werden. Die Ausnahmeregelung, wonach die Klever Ordnungsbehörde eine frühere Bestattung aus gesundheitlichen Gründen anordnen oder auf Antrag von Hinterbliebenen genehmigen kann, wurde bereits in der Friedhofssatzung der Stadt Kleve aufgenommen.
Sonderrechte für keinen oder für alle
Im Hauptausschuss gestand Werner Liffers (CDU), dass er nicht dagegen sei, das Thema aber doch „gewöhnungsbedürftig“ wäre. Gerd Plorin, AfD, bemängelte, das ein Recht auf scheinbar preiswertere sarglose Bestattung nur bestimmten Religionen eingeräumt würde. Wiltrud Schnütgen, Grüne, widersprach: Auch für Muslime müsse laut Friedhofssatzung der Transport bis zum Grab im Sarg erfolgen.
Nach Auffassung von Daniel Rütter, FDP, sollte jeder unabhängig von einer Konfession selbst entscheiden können, ob er mit oder ohne Sarg oder Urne bestattet werden wolle. Keiner solle Sonderrechte für irgendwelche Konfessionen erhalten. „Ein städtischer Friedhof sollte allen Bürgern offenstehen“, so Rütter. Die Religionswissenschaftlerin Dr. Hedwig Meyer Wilmes, Grüne, lobte den Satzungsvorschlag der Verwaltung. Er regele die allgemeinen Regeln, es gehe nicht um individuelle Wünsche.
Leerflächen in der Friedhofsmitte füllen
Im Hauptausschuss war das Thema zweigeteilt. Denn es ging auch darum, die nun rasen-bewachsenen Lücken zu schließen, die auf dem historischen Friedhof Merowinger Straße und rund um die Trauerhalle in Kellen im Laufe der Jahre entstanden waren. Karsten Koppetsch, Geschäftsführer der Umweltbetriebe der Stadt, (für die Bewirtschaftung zuständig), hatte bereits 2020 ein 100-seitiges Konzept erstellt, wie künftig mit Sarg und Urnengräbern nebeneinander leere Flächen im Kern der Friedhöfe dichter belegt werden könne. Der Rat berät nächste Woche weiter.
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