Kreis Kleve. Von Bedburg-Hau aus in die weite Welt: Greta und Jan Navel starten mit einem umgebauten Mercedes-Jeep in ihre zweite Weltreise.
Der olivfarbene Jeep, ein Puch, hier besser bekannt als ein Fahrzeug aus der Mercedes G-Klasse, muss sich nicht erklären. Dass hier ein Weltenbummler vor einem steht, ist unschwer zu erkennen. Geländetauglich, mit großzügigem Dachzelt, Gasflaschen am Heck, Solaranlage, Wohnmobilausstattung Marke Eigenbau, Wassertanks und Co. Alles da. Ziemlich professionell. „Einsteigen und losfahren“ sagt einem die innere Stimme.
In diesem Fall sind es die Stimmen von Greta (38) und Jan (35) Navel, die den Geländewagen, der einst beim Schweizer Militär Dienst tat, 2020 erstanden und nach und nach mit viel Unterstützung umbauten. Beide sitzen auf gepackten Koffern, besser gesagt im gepackten Auto und starten jeden Moment durch. Aber zuvor nimmt sich das Ehepaar, das sich in einem Konzern kennen und lieben lernte und 2018 im Himalaya verlobte, Zeit, um seine unglaubliche Geschichte zu erzählen.
Lebensbedrohliche Krankheit
Anders als ihr Gefährt sehen die beiden nicht aus wie zwei Weltenbummler. Eher wie gebildete, erfolgreiche Yuppies mit solidem gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Hintergrund. Stilvoll, fein – innen und außen. So stellen sich die meisten Menschen keine Weltenbummler vor. Können die das denn? Ja, sie können! Das sympathische Paar hat für die NRZ ihr Tagebuch offen gelegt – und eine atemberaubende Geschichte erzählt. Die Geschichte ihrer ersten Weltreise, der nun jeden Moment die zweite folgen wird. Es war 2019. Da gab’s noch kein Corona, noch kein Weltreise-Auto, aber zwei junge Leute, die sozusagen von einem auf den anderen Tag ihren „goldenen Käfig“ aus freien Stücken verließen, um sich ins echte Leben zu stürzen.
Doch von Anfang an. Die Kleverin Greta Navel, geborene Bernhardt, und ihr Mann Jan Navel hatten bis 2018 ein gutes, ein sehr gutes und höchst erfolgreiches Leben mit vorstandsnahen Tätigkeiten bei einem großen süddeutschen Automobilkonzern. Greta Navel: „Wir hatten beide einen Job, der extrem viel Spaß gemacht und uns erfüllt hat. Auch wenn wir bei einer 60-Stunde-Woche nicht wirklich viel Privatleben hatten.“ Doch dann schlug das Schicksal in der Form einer lebensbedrohlichen Krankheit bei Jan zu, und beide sahen sich gezwungen, die Sinn-Frage zu stellen. Mit dem Ergebnis, dass sie sich in Rücksprache mit ihrem Arbeitgeber ein Sabbatjahr gönnten.
„Urlaubsfeeling“ in Costa Rica
Ein halbes Jahr wurde geplant, dann ging alles ganz schnell: Job, Wohnung, Auto, Inventar und damit auch alle lieb gewonnenen Annehmlichkeiten wurden verkauft, abgelegt, eingemottet. „Mir war eh lieber, dass das Leben in zwei Kisten passt“, gibt Jan zu. Dann ging’s los, ein Jahr Auszeit in den Weiten der Welt – von Januar bis Dezember 2019. Gelebt haben beide von der Substanz, die sie aufgrund ihrer guten Jobs aufgebaut hatten.
„Der Einstieg erfolgte mit Urlaubsfeeling: drei Wochen Costa Rica“, berichtet Greta. Dann hieß es, „loslassen, nicht mehr getaktet sein, nicht wissen, was morgen ist und wo...“. Es folgten Feuerland, Patagonien, der Inka-Trail in Peru, Bolivien, die ersten Märsche bis auf 6000 Meter Höhe in den Anden. „Wir haben viel im Zelt geschlafen, Länder und Menschen kennen gelernt und immer Glück gehabt“, betont Jan. Soll heißen: kein Überfall, kein schwerer Unfall und nur einmal eine üble Magen-Darm-Infektion auf der anderen Seite der Erde.
Mit der Transsibirischen Eisenbahn von Sankt Petersburg nach Peking
Dorthin ging’s via Flugzeug, aber erst nach Japan, dann nach Nepal (Greta: „Von den Anden ins Himalaya“). Dort mussten die beiden Deutschen bei minus zehn Grad Celsius mehrere Nächte an einsamen Berghängen verbringen. Grenzerfahrungen. Gern gemachte. „Aber wir haben danach Station in Singapur gemacht. Drei Tage Hotelkomfort zum Kräfteauftanken“, sagt Jan.
Nächste Station: die Westküste Australiens mit dem Mietwagen erfahren. Nach einem dreiwöchigen Zwischenstopp in Berlin zur Hochzeit eines Freundes und für die Beantragung von Visa für Russland und China folgte eine unvergessliche Tour in der Transsibirischen Eisenbahn von Sankt Petersburg bis nach Peking. Mit vielen Zwischenstopps unter anderem in den „Stan-Ländern“: Usbekistan, Tadschikistan, Kirgisistan in Zentralasien. Greta erinnert sich gut an eine Kuriosität, die sie in Schwierigkeiten brachte: „In Usbekistan haben die Menschen nur völlig intakte Dollarscheine angenommen. Ohne Knicks, Risse oder Eselsohren. Wir mussten unser Geld bügeln.“
Offen und hilfsbereit
Die Einheimischen begegneten den Weltreisenden aber überall freundlich, offen, hilfsbereit, gastfreundlich. Fehlende Sprache wurde mit Kreativität wett gemacht, Freundschaftsbande in den fernsten Winkeln der Erde geknüpft. In Ulan Bator, der mongolischen Hauptstadt, kauften die Deutschen sich einen Jeep, und ihre Leidenschaft für eine Tour mit dem Auto erwachte. Es war die Geburtsstunde, gedanklich, für ihren jetzigen Mercedes. Denn den mongolischen Wagen verkauften sie nach der Durchquerung der Wüste Gobi wieder. Bei der Wüstentour rang übrigens besagte Magen-Darm-Erkrankung Greta nieder. So stark, dass beide Angst bekamen. Aber in einem Kindergarten einer Oase fanden sie naturheilkundige Hilfe. „Und ich erwachte fast gesund nach einem langen Schlaf in einem rosafarbenen Kinderbett“, erinnert sich Greta an die skurrile Situation.
Die Reise ging dann mit der Eisenbahn weiter bis nach Peking und später nach Bhutan. „Ein Land, in dem wirklich alle gefühlt glücklich und völlig entspannt sind. Sogar die Straßenhunde. Jeder lebt dort nur im Hier und Jetzt“, erzählen die Navels. „Nur frei ist man als Tourist dort nicht, man bezahlt für jeden Tag, bewegt sich nur mit Guide und Fahrer durch das Land.“ Auch Myanmar (Birma) durften die Navels noch vor der Übernahme durch das Militär kennenlernen. Außerdem Laos und Kambodscha. Ein Flug von Bangkok brachte sie über Frankfurt zurück in die Heimat. Gerade rechtzeitig, um mit einem Freund Geburtstag zu feiern und mit der Familie in der Heimat von Jan, der Südpfalz, Weihnachten zu verbringen.
Der Einstieg in den alten, guten Job erfolgte problemlos. Dennoch wussten beide im Sommer 2021, also nach eineinhalb Jahren wieder im alten Leben angekommen: „Das wollen wir nicht mehr.“ Ihren alten vorstandsnahen Job im Automobilkonzern haben beide dann endgültig an den Nagel gehängt. „Wir arbeiten nun als digitale Nomaden für ein Start-Up.“
Leben in Bedburg-Hau
Mittlerweile lebten sie länger in Gretas Elternhaus in Bedburg-Hau. Der alte Mercedes G-Klasse wurde dort in Eigenregie und mit großer Hilfe durch Gretas Vater, der eine gut ausgerüstete Werkstatt besitzt, langsam, aber stetig zum Globetrotter umgebaut. „Da hat uns Corona und das viele Arbeiten im Home-Office in die Karten gespielt“, sind beide der Pandemie nicht wirklich böse. Außerdem brachten sich beide im vergangenen Jahr ehrenamtlich als Corona-Tester in einem Griether Seniorenheim ein – wenn Beruf und das Auto ihnen die Zeit ließ.
Nach einem Fehlstart im November (das Auto schwächelte an der Einspritzanlage) und einem Update der Standheizung geht’s nun jeden Moment los. Erst einmal nach Italien. Der Start in die Weltreise Nummer zwei. Und dann? Die Navels wissen: „Das entscheidet die Pandemie und die Weltpolitik.“ Und natürlich sie selber, die in der Welt schon ein wenig zu Hause sind.
Wer den beiden Weltenbummlern folgen möchte, der sollte ihre Seiten und Blogs besuchen: www.followthenavels.com und auf Instagram: followthenavels. Fragen beantworten sie auch per E-Mail: followthenavels@gmail.com.
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