Kreis Wesel. „Beschämendes Kapitel deutscher Abschreckungspolitik“: Die Awo im Kreis fordert die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes. Die Gründe:
1993 beschloss der Bundestag die Einführung des Asylbewerberleistungsgesetzes als Instrument der Abschreckung. Zum 30. Jahrestag der Beschlussfassung am 26. Mai fordert der AWO Kreisverband Wesel und mehr als 200 andere Organisationen die Gleichbehandlung aller Menschen in Deutschland nach den Regeln des Sozialgesetzbuchs und die Abschaffung des Asylbewerberleistungsgesetzes.
Das Gesetz sei 1993 im Bundestag im Rahmen des sogenannten „Asylkompromisses“ beschlossen worden, um die Lebensverhältnisse von Asylsuchenden in Deutschland gezielt zu verschlechtern und die soziale Versorgung auf ein Niveau deutlich unterhalb der regulären Sozialleistungen abzusenken, schreibt die Awo. Dadurch sollten Schutzsuchende durch das Wohnen in Sammelunterkünften, durch niedrigere Leistungen und durch Sachleistungen statt Geld abgeschreckt oder zur Ausreise bewegt werden, so der Sozialverband weiter. Auch heute liegen die Regelsätze des AsylbLG deutlich unter denen des Bürgergelds beziehungsweise der Sozialhilfe.
„Die Menschenwürde zählt – für Schutzsuchende darf es keinen niedrigeren Standard geben“, kritisiert Dr. Bernd Riekemann, Vorstand Fachpolitik des AWO KV Wesel. „Es ist Zeit, dieses beschämende Kapitel deutscher Abschreckungspolitik der 1990er Jahre endlich zu beenden.“
Die Bundesregierung will das Asylbewerberleistungsgesetz laut Koalitionsvertrag „im Lichte der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts weiterentwickeln“. Bis heute aber sei nicht einmal das Urteil des Verfassungsgerichts von Oktober 2022 im AsylbLG umgesetzt worden. Ein Blick in die Geschichte zeige, „dass ein von vornherein auf Diskriminierung angelegtes Sondergesetz sich nicht verfassungskonform ändern lässt, sondern je nach politischer Stimmungslage immer wieder dazu einlädt, neue Zumutungen und Schikanen auf den Weg zu bringen“.
Die Flüchtlingsaufnahme 2015/16 und die Aufnahme von über einer Million ukrainischer Geflüchteter 2022 „haben eine offene und hilfsbereite Gesellschaft sichtbar gemacht.“, schreibt die Awo weiter. „Gleichwohl vereinbarten Bund und die Länder im Mai 2023 Verschärfungen in der Flüchtlingspolitik, die unter anderem auch neue Sozialleistungskürzungen beinhalten.“ Dem gegenüber hätten die Integrationsministerien der Länder auf die positiven Erfahrungen mit der Gleichstellung ukrainischer Geflüchteter verwiesen und würden auf einen zügigen, diskriminierungsfreien Zugang zu Integrationsleistungen „für alle vor Krieg, Gewalt und Verfolgung geflüchteten Menschen“ drängen. Für Kommunen und Länder hätte die Gleichstellung von Geflüchteten wegen der stärkeren Bundesbeteiligung und wegfallender Sondergesetz-Bürokratie auch finanzielle Vorteile.