Kreis Wesel. Im Kreis Wesel soll das Thema grüner Wasserstoff vorangetrieben werden. Wie es mit den Plänen vorangeht und wo es noch offene Fragen gibt.
Im Energieträger Wasserstoff stecken viele Hoffnungen. Vor allem dann, wenn er klimaneutral mit Hilfe von Wind- und Sonnenenergie produziert wird. Noch ist einiges Zukunftsmusik und entsprechend sind viele Rahmenbedingungen noch unklar. Nichtsdestotrotz will der Kreis Wesel vorangehen: Vertreter aus Wirtschaft, Kreis und Kommunen tauschen sich seit 2021 regelmäßig aus, so auch kürzlich beim fünften Netzwerktreffen „H2 Niederrhein Kreis Wesel“ mit rund 70 Teilnehmern im Kreishaus. Es zeigte sich: Projekte nehmen Gestalt an, erste Termine stehen im Raum. „Wir sind offensichtlich im Kreis Wesel an einem Punkt, an dem wir durch das vielfältige und breitgefächerte Engagement der Unternehmen beim Thema Wasserstoff vom Reden ins Handeln kommen“, so Landrat Ingo Brohl zur Eröffnung.
So will die Richter Group ab 2024 die ersten 20 Wasserstoff betriebenen Lkw auf die Straße bringen. Das Logistikunternehmen mit Standort in Wesel arbeitet dafür mit den Firmen Nikola und Eon zusammen. Der Straßengüterverkehr sei für einen entscheidenenden Teil des Kohlenstoffdioxid-Ausstoßes verantwortlich, erläuterte Christian Benigni (Nikola Energy) beim Netzwerktreffen. Obwohl Lkw nur einen Anteil von sechs Prozent auf Straßen ausmachten, produzierten sie 26 Prozent der CO2-Emissionen. Benigni betonte: „Wir wollen die ganze Wertschöpfungskette anbieten“, und nannte die Fahrzeuge, die Betankungsinfrastruktur und den Wasserstoff. Ein erstes Cluster dafür soll rund um Wesel und Essen entstehen.
Wasserstoff: Unternehmen aus Wesel will Lkw-Flotte sukzessive umstellen
Die Richter Group in Wesel möchte es nicht bei 20 Lkw belassen, sondern die gesamte Flotte von 160 Lkw in den kommenden Jahren sukzessive umstellen. Natürlich sei eine solche unternehmerische Entscheidung mit einem Risiko verbunden, zumal Rahmenbedingungen noch unklar seien, sagte Marc Schwarzlose von der mittelständischen Firma. Derzeit würden die Mehrkosten für einen wasserstoffbetriebenen Lkw mit 80 Prozent gefördert. Anträge seien bisher aber nur für einzelne Fahrzeuge möglich, „wenn die Förderung für eine Flotte erfolgen kann, wäre das ein riesiger Schritt.“ Man glaube aber, dass sich der Wasserstoff-Preis langfristig so entwickele, dass die Mehrkosten für die Lkw abgefangen werden können. Und: „Unsere Kunden haben signalisiert, dass sie für grünen Wasserstoff bereit sind, mehr zu zahlen.“
Die Ideen für ein zweites Projekt sind in Voerde nicht neu: Auf dem 2017 stillgelegten Steag-Gelände in Möllen will RWE grünen Wasserstoff erzeugen. „Die Infrastruktur ist da“, sagte Jörg Kerlen (RWE). Noch stehen abschließende Entscheidungen aus, die Pläne scheinen aber dennoch schon konkret: Mitte dieses Jahres soll es auf dem Gelände mit dem Rückbau losgehen. Geprüft werde die Möglichkeit, eine Elektrolyse-Anlage mit zunächst 400 Megawatt Leistung zu errichten, heißt es von RWE. Damit wäre es möglich, Wasser in die Bestandteile Sauer- und Wasserstoff zu teilen. Frühestmöglicher Termin hierfür? 2027. Ebenso gibt es Überlegungen zu einem wasserstofffähigem Gaskraftwerk. „Der passende gesetzliche Rahmen, Wirtschaftlichkeit und die Anbindung an ein Wasserstoffnetz vorausgesetzt, könnte ein solches Kraftwerk etwa 2030 in Betrieb gehen“, heißt es von RWE.
Technologie für Wasserstoffanwendungen kommt zum Beispiel aus Neukirchen-Vluyn
Dass Projekte in den Niederlanden schon mal schneller realisiert werden können als in Deutschland, wurde auch am Beispiel einer H2-Tankstelle deutlich. Die Firma Kuster Energy mit Standort Babberich in den Niederlanden und mit Kleve in Deutschland hat im Nachbarland eine solche Tankstelle bereits umgesetzt. Man wolle das auch hier realisieren, so Geschäftsführer Lars Kuster. Wie viel Platz eine solche Tankstelle in Anspruch nehmen würde? „Mehr als normale Tankstellen“, mindestens einen Hektar.
Auch relevante Technologie kommt direkt aus dem Kreis. So stellte die Firma Schwing aus Neukirchen-Vluyn ein Massedurchflussmesser für Wasserstoffanwendungen vor. Damit könnten extrem hohe Fließgeschwindigkeiten gemessen werden, erläuterten Boris Bosselmann und Wolfgang Ringel. Zur Veranschaulichung: 1400 Meter pro Sekunde seien es beim Wasserstoff, bei Luft 300 Meter pro Sekunde. Anwendung könne das Gerät zum Beispiel bei der Betankung oder in der Industrie finden. Offene Fragen gibt es aber auch hier, zum Beispiel bei den rechtlichen Grundlagen zur Abnahme.
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