An Rhein und Ruhr In vielen Schulen kam es am Montag und Dienstag zu Störungen beim Homeschooling. Aber nicht nur die Lernportale seien das Problem.
Wochenlang hatten sich Carsten Höhr und sein Kollegium auf den ersten Schultag nach den Ferien vorbereitet. Lerninhalte wurden besprochen, Videokonferenzen geprobt und die Schülerinnen und Schüler über den Ablauf der anstehenden Homeschooling-Tage informiert. Doch kaum war der digitale Unterricht am Montag gestartet, häuften sich auch schon die technischen Probleme. „Ab Punkt 8 Uhr ging gar nichts mehr“, erzählt der Schulleiter der Gustav-Heinemann-Realschule in Duisburg. „Die meisten Schüler sind gar nicht erst ins Programm gekommen."
Die Duisburger Schule ist kein Einzelfall: Am Montag und Dienstag klagten zahlreiche Schulen in NRW über technische Störungen. Vor allem bei den Lernplattformen IServ und Moodle, über die die Schüler und Lehrer digital Aufgaben koordinieren, Nachrichten schreiben und Videokonferenzen durchführen können, kam es zeitweise zu massiven Störungen. Obwohl sich die Lage ab Montagmittag wieder teilweise beruhigte, gingen auf der Internetseite netzwelt.de auch am Dienstag allein zwischen 9 und 11 Uhr bundesweit über 5000 IServ-Fehlermeldungen ein. Auch beim Kommunalen Rechenzentrum (KRZN) in Kamp-Lintfort war die Last auf den Schulplattformen Logineo und Moodle am Montag und Dienstag deutlich erkennbar, heißt es aus der Pressestelle. Hinzu kamen am Dienstag Störungen in Folge von Hackerangriffen, von denen die Schulplattformen betroffen waren.
Anette Schmücker, Schulleiterin der Gesamtschule in Hamminkeln, sprach von „phasenweisen Problemen, weil einige Videokonferenzen aus Kapazitätsgründen nicht durchgeführt werden können“. Die Störung sei aber bereits weitergegeben worden und die Schulleitung hoffe auf „rasche Abhilfe“. Die Gesamtschule nutze für alle Jahrgänge die Lernplattform Moodle und das integrierte Videotool BigBlueButtin für die Online-Unterrichtsstunden.
Schulleiter in Duisburg: „Es funktioniert fast nichts“
Am Franz-Haniel-Gymnasium in Duisburg kam es auch am Dienstag noch zu Störungen bei der Lernplattform iServ. „Es funktioniert fast nichts“, sagte Schulleiter Norbert Thummes. Lediglich die Oberstufe, die das Programm MS Teams nutze, könne weitgehend problemlos arbeiten. „Ich denke, es wird mehrere Gründe haben“, so Thummes. Auch der rund vier Jahre alte Server der Schule sei eine mögliche Schwachstelle. „Im normalen Alltag funktioniert er wunderbar, aber jetzt, wo er massiv von unseren Schülern beansprucht wird, kommt er an seine Grenzen.“
Anders schildert die Schulleiterin des Grafschafter Gymnasiums, Astrid Czubayko-Reiß, in Moers die Homeschooling-Situation: „Bei uns ist im ersten Lockdown das Videokonferenztool Moodle oft zusammengebrochen“, so Czubayko-Reiß. Die Schule sei deshalb auf das Lernprogramm Webex umgestiegen. „Das klappt ganz gut."
Gleiches spiegelt auch Christoph Riedl, Schulleiter der Joseph Beuys Gesamtschule in Kleve, wider. Die Schule arbeitet mit der Plattform Padlet. Darüber funktioniere der Austausch gut, die Konferenzen über Jitsi verliefen „relativ störungsfrei“. Das größere Problem scheine die fehlende digitale Ausstattung an vielen Schulen zu sein. Die Klever Gesamtschule habe deshalb schon im März durch den Förderverein der Schule und Spendengelder Tablets und Laptops für ihre Schüler organisiert. „In der kommenden Woche soll die Ausgabe der digitalen Geräte erfolgt sein“, so Beuys.
Vielen Schulen mangelt es an technischer Ausrüstung
Grundschulen am Niederrhein können dieses Problem bestätigen. Bei der Rheinschule Emmerich und auch bei der Gemeinschaftsgrundschule (GGS) Innenstadt in Wesel holen Eltern die Lernmaterialien ab. „Wir haben bisher nur 16 iPads bekommen, aber 150 Schülerinnen und Schüler ohne digitale Ausstattung zu Hause. Aber wer soll ein iPad bekommen? Deswegen haben wir uns erstmal gegen die Ausgabe der iPads und die Nutzung der digitalen Möglichkeiten entschieden“, erklärt Schulleiterin der GGS Innenstadt in Wesel, Astrid Wahl-Weber.
IServ-Sprecher Frank Vollmer räumte am Dienstag ein, dass es vereinzelt zu Problemen mit dem Video-Dienst komme. Störungen bei der Anmeldung oder dem Laden von Seiten seien aber nicht auf Versäumnisse des Unternehmens, sondern auf die veraltete Technik an einigen Schulen zurückzuführen. Auch Schulleiter Höhr äußerte Kritik: „Die Störungen waren sehr frustrierend, aber nicht überraschend.“ Der Server der Duisburger Schule sei zu klein, die Realschule nicht ans Breitbandnetz angeschlossen. „Das Kabel ist bereits gelegt worden, liegt aber frei neben dem Server.“
Höhr habe sich schon vor den Weihnachtsferien mit der Stadt Duisburg ausgetauscht. Abhilfe sei bereits zugesagt worden. Dennoch habe die Politik die Digitalisierung der Schulen zu lange ignoriert, bemängelt der Schulleiter. „Alles, was in den vergangenen Jahren versäumt wurde, fällt uns jetzt auf die Füße.“ Immerhin habe die Pandemie aber allen Beteiligten den dringenden Handlungsbedarf vor Augen geführt“, so Höher. „Ohne Corona wären wir längst nicht so weit.“
>>> NRZ-Anfrage: Schulministerium hält sich bedeckt
- Das NRW-Schulministerium wollte sich auf Anfrage dieser Redaktion nicht zu den technischen Störungen bei den Lernplattformen iServ und Moodle äußern. Auch eine Frage zu möglichen Versäumnissen bei der Digitalisierung der Schulen ließ das Ministerium unbeantwortet. Die Landesregierung könne lediglich zu den vom Land den Schulträgern zur Verfügung gestellten Programmen der Logineo-Familie eine Einschätzung abgeben. „Die Betriebsdaten weisen auf einen stabilen Betrieb hin“, hieß es aus dem Schulministerium. Grundlegende technische Probleme seien nicht bekannt.
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