Justiz

Skurril: Überfüllte NRW-Gefängnisse – Land kauft Grundstücke

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Viele Gefängnisse in NRW sind in die Jahre gekommen und überfüllt. Jetzt werden Grundstücke für neue JVAs gesucht.

Viele Gefängnisse in NRW sind in die Jahre gekommen und überfüllt. Jetzt werden Grundstücke für neue JVAs gesucht.

Foto: Bernd Wüstneck / dpa

An Rhein und Ruhr.  In NRW werden dringend neue Gefängnisse benötigt. Das Land sucht nun auf ungewöhnlichem Weg nach Grundstücken. Diese Standorte kommen infrage.

Nordrhein-Westfalen braucht mehr Platz für Unterbringung von Gefangenen. Neubauten sollen die überfüllten Gefängnisse im Land entlasten. Bei der Suche nach großen Grundstücken für neue Justizvollzugsanstalten geht die Landesregierung nun einen ungewöhnlichen Weg: In Zeitungsannoncen wird nach Flächen ab 15 Hektar gesucht.

Dahinter steckt der landeseigene Bau- und Liegenschaftsbetrieb (BLB), der Eigentümer und Vermieter von rund 4100 Immobilien wie Behörden, Polizeipräsidien, Ministerien und eben Gefängnissen ist. Unter anderem in der NRZ hatte er im Auftrag des NRW-Justizministeriums Anzeigen geschaltet, um Flächen für neue Gefängnisse zu finden.

Neue Gefängnisse in NRW: Diese Grundstücke werden gesucht

„Geeignet sind grundsätzlich Gewerbe-, Industrie- oder landwirtschaftliche Flächen“, heißt es in den Annoncen. So soll der „Haftplatzbedarf in Nordrhein-Westfalen langfristig gedeckt“ werden, erklärt der Landesbetrieb gegenüber der Deutschen Presse-Agentur. Die Suche läuft landesweit und beschränkt sich nicht auf bestimmte Regionen. „Von Vorteil wäre eine möglichst gute Anbindung an den ÖPNV und Bundesautobahnen sowie eine Nähe zu örtlichen Gerichten.“

Die Grundstücke sollen neben dem Bau neuer Gefängnisse auch für „Rotationsanstalten“ genutzt werden. Diese dienen als Ausweichstandorte für Einrichtungen, die wegen größerer Sanierungen zeitweise geräumt werden müssen. „Der mangelhafte bauliche Zustand in mehreren Justizvollzugsanstalten des Landes führt zunehmend zu Nutzungseinschränkungen. Landesweit resultiert hieraus aktuell ein Bedarf von insgesamt rund 1300 Haftplätzen, für die Ausgleichsflächen in Neubauten geschaffen werden sollen“, erläutert Dirk Reuter, stellvertretender Pressesprecher des Justizministeriums.

JVA-Neubau: Kosten sind noch unklar – gibt es Gegenwind von Anwohnern?

Wie viele zusätzliche Gefängnisse insgesamt benötigt werden und wie teuer deren Bau wird, lasse sich aber noch nicht sagen. Mit der Größe der Grundstücke von „mindestens 15 Hektar“ schränkt der Landesbetrieb den Kreis möglicher Objekte indes deutlich ein.

Zum Vergleich: Die im Jahr 2012 als „Groß-Gefängnis“ eröffnete JVA Düsseldorf umfasst eine Fläche von rund 12 Hektar an der Stadtgrenze zu Ratingen. Dort hatte der vom Land geplante Gefängnis-Neubau für Widerstand unter den Bürgerinnen und Bürgern gesorgt. Der damalige Bürgermeister der Stadt Ratingen hatte gegenüber der NRZ sogar Sorgen um den Wirtschaftsstandort geäußert, für den eine JVA „keine Werbung“ sei. Die Vergangenheit zeigt: Bei den nun anvisierten neuen Gefängnissen könnte das Land Gegenwind aus den jeweiligen Kommunen erwarten.

Überfüllte Gefängnisse: So viele Plätze sind in den NRW-JVAs noch frei

Laut Justizministerium sind etwa 1500 der 18.900 Plätze in den 36 Justizvollzugsanstalten des Landes meist aufgrund baulicher Mängel nicht belegbar. Nach aktuellem Stand am Dienstag waren rund 14.300 Plätze tatsächlich belegt (81,83 Prozent). Betrachtet man nur den geschlossenen Vollzug für Erwachsene, liegt die Auslastung mit 86,2 Prozent sogar noch höher. „So unterschiedlich die Gefangenengruppen sind, so unterschiedlich ist auch die derzeitige Belegungssituation – von auskömmlich bis angespannt“, sagt Reuter.

Zu Problemen in den nordrhein-westfälischen Gefängnissen führt nicht nur der unzureichende Platz für die Unterbringung der Gefangenen, sondern auch der Mangel an Personal. Rund 900 Mitarbeitende fehlten laut Landesvollzugsdirektion mit Stand vom Jahresbeginn.

Personalmangel in Gefängnissen: Anwalt fordert Freiheit für Schwerverbrecher

Erst in der vergangenen Woche hat ein Rechtsanwalt die sofortige Freilassung von 120 Sicherungsverwahrten in der JVA Werl gefordert, da deren psychiatrische Behandlung aufgrund personeller und baulicher Mängel nicht den Vorschriften entspreche.

Der Antrag auf Freiheit für Schwerverbrecher ist auf Kritik gestoßen, auch aus Reihen des NRW-Justizministeriums. Obwohl die Auffassungen über die Herangehensweise weit auseinandergehen, dürfte der Wunsch nach einer Verbesserung der Lage in den oft überfüllten und in die Jahre gekommenen Gefängnissen die Parteien einen.

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