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Kleve: Enttäuschte Grundschuleltern sprechen für viele

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Eltern beklagen die Ablehnung der Schulanmeldungen ihrer Kinder in Kellen. Unter ihnen sind v.l. Silke Siemens-Dogan, Melanie Heckrath, Julia Marks und Lina Putman.

Eltern beklagen die Ablehnung der Schulanmeldungen ihrer Kinder in Kellen. Unter ihnen sind v.l. Silke Siemens-Dogan, Melanie Heckrath, Julia Marks und Lina Putman.

Foto: Astrid Hoyer-Holderberg

Kleve.  26 Kinder werden zur anderen Schule umgemeldet, weil sie nicht katholisch sind. Gewerkschaft und Lehrerin bezweifeln, ob das noch zeitgemäß ist.

„Mein Sohn erzählte seinem Freund: Ich kann nicht zur Willibrordschule. Die wollen mich da nicht“, zitiert Julia Marks. „Da bricht mir das Herz.“ Denn der Junge wird eine andere Schule besuchen. Insgesamt 26 Eltern müssen ihren Kindern nun erklären, dass sie nicht zur Katholischen Bekenntnis-Grundschule St. Willibrord gehen dürfen, obwohl sie in Kellen den Kindergarten besucht hatten. Wie berichtet, werden nicht-katholische Kinder an der Bekenntnisschule abgelehnt (ebenso 18 im Umfeld der Marienschule). Mehrere Mütter trafen sich in Kellen mit der NRZ, um ihre Enttäuschung öffentlich zu machen.

Schülerzahl für dieses Jahr war schon lange vorhergesagt

Die Prognose im Schulentwicklungsplan stimmte fast genau mit den vorhergesagten 96 Einschulungskindern für dieses Jahr überein, erinnern Julia Marks und Melanie Goertz. Trotzdem habe die Stadt den bis 2022 geplanten Ausbau auf vier Züge verschoben. Container-Lösungen wird es wohl während der Umbauphase geben, nicht aber für eine Klasse mehr. Denn im Gegenzug fehlen der Montessorischule in der Unterstadt die Kinder.

Die Eltern beklagen zum einen die Ablehnungen, zum anderen eine „sehr schlechte Kommunikation zwischen Verwaltung und Eltern. Es gab einen Brief, der uns aus den Schuhen geworfen hat“, so Julia Marks. Der kam an einem Samstag, 22. Januar, an. Darin die Ablehnung und die Aufforderung, sich innerhalb einer Woche bis 31. Januar an einer anderen Schule anzumelden, es böte sich die Montessorischule an. „Das ist doch keine Beratung, das ist eine Frechheit“, findet Melanie Goertz.

„Ich warte heute noch auf Rückruf und Beantwortung von Mails.“

Mehrere Eltern machten unterschiedliche Erfahrungen bei Kontaktversuchen sowohl zum Schulleiter als auch zur Schulverwaltungsamtsleiterin. Bei keinem waren es gute. Melanie Goertz: „Ich warte heute noch auf Rückruf des Schulleiters und Beantwortung von Mails.“

„Wir hätten auch von der Schule erwartet, dass sie uns schon bei der Anmeldung vorwarnt,“ dass es auf die Konfession ankommt und dass eventuell nicht alle Kinder angenommen würden, sagt Melanie Heckrath. Ihr Mann hatte jetzt den Schulleiter gefragt, was wohl passiere, wenn er seinen Sohn noch taufen ließe – dann würde er angenommen, hieß es. Mehrere Kellener Eltern finden, dass dies Kriterium aus der Zeit gefallen scheint, gerade unter aktuellen Gesichtspunkten. Dass es mit Verweis auf Toleranz und Gleichheit noch auf die Kirchenzugehörigkeit ankomme, missfällt den abgelehnten Eltern sehr. „Ungerechtigkeit“ ist das für Julia Marks.

Familie Klung bedenkt: „Hätte man im Vorfeld der vorläufigen Ablehnungsbescheide tatsächlich den Kontakt zu den Eltern aufgenommen und beraten, welche Kinder wo einen Platz finden können, wäre gegebenenfalls dieser enorme Anmeldeüberhang nicht entstanden.“

Lina Putman hat vielleicht noch Glück. Offenbar berücksichtigt wurde, dass die Familie mit ihrem konfessionslosen Kind gerade mal 600 Meter von der Schule entfernt wohnt. „Für uns ist die Situation unerhört, dass es uns wichtig ist uns zu solidarisieren. Wir erwarten sehr weit hinten auf der Liste zu stehen.“

Der Sohn wird den Schulweg nie alleine gehen können – zu gefährlich

Die Mütter und Väter überlegen, wie sie künftig die Wege zur Arbeitsstelle und einer oder – bei Geschwistern – mehreren entfernteren Schulen organisieren. „Doch es geht nicht um unsere Bequemlichkeit“, sagt Heckmann. „Es geht darum, dass Freundschaften bestehen bleiben. Wegen Corona sind alle sozialen Kontakte hinten über gefallen. Die zwei oder drei festen Freundschaften sollen jetzt nicht auch noch enden.“

Außerdem bedenkt sie: „Ich werde mein Kind nie allein zur Schule gehen lassen können, über den Klever Ring zur Flutstraße schicken.“ Julia Marks ergänzt: „Diese Art von Selbstständig-Werden wird unseren Kindern genommen.“ Und: „Mein Sohn will doch nur mit seinen Freunden zusammen sein.“

Melanie Goertz schildert: „Mein Sohn besucht den katholischen Arche-Noah-Kindergarten direkt gegenüber der Willibrordschule und würde selbstredend gerne mit seinen Kindergarten- und Fußballfreunden die Schule besuchen.“ Manche andere sind derzeit im Montessori-Kinderhaus in Kellen. Doch zu der Schule an der Spyckstraße wollen die Eltern ihre Kids trotzdem ungern wechseln lassen. „Weil sie dort die Jahrgangsmischung aufgehoben haben, bietet die Schule für Leute mit Interesse an der Montessori-Pädagogik zu wenig und für andere wieder zu viel Montessori“, fasst es Lina Putman zusammen. „Weil man mit der Montessori-Schule Fehler gemacht hat, haben wir nun das Problem“, beklagt Melanie Heckrath.

„Die ganze Infrastruktur in der Stadt stimmt doch nicht mehr“

Julia Marks ahnt: „Die ganze Infrastruktur in der Stadt stimmt doch nicht mehr. Am Bahnhof entstehen große Neubaugebiete mit vielen Kindern.“

Auch die Umwandlung der Bekenntnisschulen in eine Gemeinschaftsgrundschule ist für die abgelehnten Anwärter auf einen Erstklässler-Platz Thema. Das müssten aber auch die Eltern der derzeitigen Schüler wollen (wie berichtet).

Schon in 2013 hatte Walter Seefluth von der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) moniert, dass Bekenntnisschulen einem inklusiven Schulsystem widersprechen (wie berichtet). Außerdem gebe es Probleme bei der Nachbesetzung von Schulleitern, die katholisch sein müssen. Seit 2015 werden zumindest auch nicht-katholische Lehrer an Bekenntnisschulen angestellt – dort gab es zuvor extremen Lehrermangel.

Einen Leserbrief zum Thema schrieb eine Lehrerin der NRZ:

Josefine Frank aus Kleve schrieb der NRZ: „Wie ist es möglich, dass in einer Demokratie an einer staatlichen Schule Kinder aus katholischen Familien bevorzugt werden? Im Grundgesetz heißt es, dass niemand wegen seiner Herkunft, Konfession .... benachteiligt werden darf! Außerdem haben wir doch in Deutschland die Trennung der Kirche vom Staat, oder täusche ich mich?

Ich als Grundschullehrerin habe bei meiner Vereidigung auf das Grundgesetz geschworen, daher kann ich gar nicht verstehen, dass die katholische Kirche über das Grundgesetz gestellt wird. Die Kapazitäten - Umbauten der Schulgebäuden (schon gar die Beliebtheit der Montessori-Schule) - sind hierbei nicht primär das Problem. Die Schulen sind in der Pflicht, zusammen mit allen Eltern dieses Problem rechtzeitig und einvernehmlich zu lösen. Die katholische Auslese macht viele Eltern und Kinder unglücklich. Gerade in der Pandemie sind die Beziehungen, Freundschaften der Kinder und die lokale Nähe zur Schule wichtig. Der Start der abgewiesenen Kinder in das Schulleben hätte positiver laufen müssen!“

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