Elten. Gregor Hötzel erweitert die Emmericher FASD-Selbsthilfegruppe um Beratung von werdenden Pflege- und Adoptiveltern. Wie der Eltener helfen kann.
Mit einem unerwarteten Kickstart ist im September die neu gegründete FASD-Selbsthilfegruppe gestartet: „Zwölf Leute waren da. Das ist für solche Selbsthilfegruppen außergewöhnlich viel“, verrät Organisator Gregor Hötzel aus Elten. Im November seien zwar nur sieben Teilnehmer gekommen, aber der Austausch sei sehr gut gewesen. Im Januar kamen noch zwei Gesprächsbedürftige, im März keiner. „Wir wollen es am Leben halten, deshalb werden wir die Gruppe nun um eine Beratung für potenzielle Pflege- und Adoptiveltern erweitern“, sagt Hötzel, der mit seiner Frau Pamela zwei Pflege- und Adoptivsöhne betreut, bei denen jeweils, unabhängig voneinander, FASD diagnostiziert wurde.
Was ist nochmal FASD? Im September berichtete die NRZ über die wenig bekannte Krankheit, Fetal Alcohol Spectrum Disorder, ein Überbegriff für Krankheiten, die dadurch entstehen, wenn Mütter in der Schwangerschaft Alkohol trinken. Ob’s am regelmäßigen Konsum oder nur „einem Gläschen Sekt“ liegt, ist wissenschaftlich nicht belegt. Vermeidbar ist FASD nur durch Alkoholverzicht in der Schwangerschaft. 4000 bis 6000 Kinder und eine ganze Menge weiterer undiagnostizierter Fälle gibt’s bundesweit. In Emmerich sind den Hötzels fünf bekannt.
Wie sich FASD auswirkt
Wie wirken sich die FASD-Krankheiten aus? FASD-Kinder lassen sich schnell ablenken und finden nicht zum Thema zurück, Erlerntes kann manchmal umgesetzt werden, geht aber unter Stress verloren. Die Kinder sind laut, plötzlich, ohne Nuancen. Ihr Schmerzempfinden ist gehemmt, auch deshalb können sie Gefahren nicht einschätzen, sind sehr agil, klettern viel und stürzen oft. „Die Kinder sind nicht dumm, aber sie denken langsamer“, so Hötzel. Nicht selten müsse er seinem älteren Jungen drei- bis fünfmal sagen, dass er sich die Schuhe anziehen soll, bis er reagiere. Die Botschaft ist länger unterwegs. Ein soziales Verhalten in Gruppen ist ganz schwierig: zu viel Ablenkung. Orientierung: praktisch nicht vorhanden. Die Symptome fallen ab der Schulzeit verstärkt auf. In schlimmen Fällen sind körperliche Folgen gravierender, sodass Kinder schon Probleme beim Essen haben.
Oft werden die Kinder mangels besserer Kenntnis in die gesellschaftlich anerkannte Ecke ADHS – Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom – geschoben. Dabei dürfe man FASD noch als eine Art Steigerung sehen, so Hötzel.
Hilfe bei wichtigen Anträgen
Tendenziell kommt FASD bei Pflege- und Adoptivkindern etwas häufiger vor. Aber es fehlt der „Beipackzettel“ für interessierte Eltern, die so oft noch nie von FASD gehört haben. Deshalb wollen die Hötzels in der Selbsthilfegruppe auch Menschen beraten, die sich für die Pflege- und Adoptivelternschaft interessieren: Sie kennen sich mit den komplizierten Anträgen aus, wie man mit Ärzten darüber spricht, dass für den Eintrag eines Pflegegrades zwingend die Diagnose FASD vorher nötig ist, wo man finanzielle Unterstützung bekommt, wie man die richtigen Fragen stellt, Hilfe bei Widersprüchen, die oft zum Erfolg führten, so Gregor Hötzel. Ein Beispiel: Wenn man beim Antrag für den Schwerbehindertenausweis nicht das Kreuzchen an der richtigen Stelle macht, können Begleitpersonen im ÖPNV nicht kostenlos mitfahren. „Wir wollen über die schwierigen Prozesse aufklären“, erklärt Hötzel. Kontakt zur Selbsthilfegruppe bitte per Mail an shg-fasd@web.de.
>> DAS NÄCHSTE TREFFEN
Durch die Erweiterung soll die Selbsthilfegruppe aufleben. Das nächste Treffen ist am Dienstag, 30. Mai, 19.30 Uhr, im Haus der Familie. Weitere Termine: 18. Juli, 19. September und 21. November. „Die Kursgebühren übernehmen wir“, sagt Gregor Hötzel, der bis Ende des Jahres guckt, wie es sich entwickelt und dann über die Zukunft der SHG entscheidet.
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