Kleve. Erste Ergebnisse aus der großen Diskussionsrunde um Schule, Offenen Ganztag und die Betreuung. Das bringt der „Klever Dialog“ bisher auf den Weg.
Kleine erste Ergebnisse und viele Erkenntnisse brachte der „Klever Dialog“ zum Thema „Offener Ganztag (OGS), Was ist uns die Bildungsgerechtigkeit wert?“ in Kleve. In dreieinhalb Stunden kamen Bildungsprofis und lokale Politiker vor über 100 Zuhörern zusammen und versicherten: Die Verwaltung hat bereits den Auftrag, ein Konzept für eine kurzfristige OGS-Lösung in Kleve zu finden. Die Elterninitiative um die Väter Gabor Klung und Gerwin Putman hatten dieses parteiübergreifende Forum angeregt, die SPD übernahm die Organisation.
Künftig Gesprächsforen mit Schulträger Stadt und Schulleitungen und Eltern
Auf Wunsch der Elterninitiative soll es künftig regelmäßig Gesprächsforen geben, bei denen nicht nur wie bisher Schulträger und Schulleitungen, sondern auch Eltern vertreten sind. Mit einem interfraktionellen Antrag wollen alle Parteien das schon im nächsten Schulausschuss auf den Weg bringen, „dann ist das geritzt“, war Hedwig Meyer-Wilmes (Grüne) sicher. Schulausschuss-Vorsitzender Michael Heyrichs (CDU, dessen Tochter gerade frisch gebackene Lehrerin ist) sagte: „Ich versichere ich werde nach Ostern zu einer Veranstaltung mit Eltern laden“ und dortige Anregungen weiterverfolgen.
OGS: „Wir kämpfen immer mit dem Mangel an Kolleginnen“
Marion Kurth (AWo, 1500 OGS-Kinder) und Elke Kotthoff (Caritas, 1000 OGS-Kinder) hatten als Träger des Offenen Ganztags beschrieben, wie viel Beziehungsarbeit nötig und in großen Gruppen nicht immer möglich ist. „Wir kämpfen immer mit dem Mangel an Kolleginnen,“ sagte Kotthoff. „Wir sind nicht inaktiv, aber zunehmend verzweifelt“, sagte Marion Kurth. Jens Willmeroth, Leiter der Grundschule An den Linden, erklärte, dass man dort dem Erziehermangel mit eigener Ausbildung begegnet. Auch bei Awo und Caritas laufen Kooperationen mit dem Berufskolleg Kleve. „Schlechte Arbeitszeiten und ganz schlechte Verträge machen den Job unattraktiv“, mahnte Anja Oster, Gewerkschaft GEW. Sie forderte, dass Mindeststandards ein Teil des Schulgesetzes werden müssten.
„Entfristet endlich diese Stellen der pädagogischen Kräfte im Offenen Ganztag“
Die Frauen im offenen Ganztag arbeiten zwar für das Tarifgehalt von Erzieherinnen, jedoch weniger Stunden, die auch nur befristet ausgehandelt werden. Landtagsabgeordneter Frank Müller (SPD) forderte die Klever auf: „Entfristet endlich diese Stellen der pädagogischen Kräfte im Offenen Ganztag. Gebt den Leuten endlich eine gute Perspektive. Das kann man mit der Schulleitung abstimmen. Macht euch sofort auf die Suche nach außerschulischen Partnern, die ihr in den Sozialraum einbindet.“
Kranenburg hat 70.000 Euro zusätzlich für OGS-Personal aus eigener Kasse beschlossen
Aus Kranenburg kam von Jürgen Franken (SPD) aus dem Publikum die Anregung, das auch Kleve es so machen könne wie die Grenzgemeinde und einen Geldtopf eröffnen, aus dem mehr Stunden und mehr OGS-Personal generell bezahlt werden könne. Denn das Land zahlt Fallpauschalen pro Kind (siehe Box). Kranenburg hat 70.000 Euro zusätzlich aus eigener Kasse beschlossen für die Übergangszeit bis zum gesetzlichen OGS-Anspruch für die neuen Eingeschulten ab 2026.
Es gibt weiterhin 8-1, OGS und Rhythmisierten Ganztag parallel
Mütter und Väter aus dem Publikum hinterfragten, ob denn die Betreuung 8 bis 1 (also bis 13 Uhr) aus dem Auge verloren werde bei dieser OGS-Diskussion. Landtagsabgeordneter Frank Müller (SPD) kündigte an: „Das ist wohl ein Auslaufmodell. Ich glaube, dass wir landesweit in Richtung Offener Ganztag gehen.“ Niklas Lichtenberger (der sein Kind 8-1 betreuen lässt) ergänzte, in Klever Kitas steige die Nachfrage nach längeren Öffnungszeiten von 35 bis 38 Stunden seit Jahren deutlich. Dieses werde sich langfristig auf die Schulbereiche übertragen.
Dennoch waren die Diskutanten einig, dass es in Kleve vorläufig auf jeden Fall alle Modelle geben wird: die 8 bis 1 Betreuung ebenso wie Offenen Ganztag und den Rhythmisierten Ganztag, bei dem sich im Laufe des Tages Lern- und Entspannungszeiten abwechseln und Lehrer und Erzieher gemeinsam in der Klasse arbeiten. Das führe – so bestätigten Schulleiter und Vertreter der Wohlfahrtsverbände – zu Zufriedenheit bei Kindern, Lehrern und vor allem dem OGS Personal, das ganztägig und in vollen Stellen beschäftigt wird. Die Politiker wollten, dass mindestens eine weitere Schule neben der Grundschule An den Linden dieses Modell umsetze. Wobei die OK dieses nicht „als Allheilmittel“ ansehen.
Die Stadt als Schulträger hat viele Millionen in Steine investiert
Niklas Lichtenberger räumte ein, dass die Stadt als Schulträger viele Millionen in Steine investiert habe, weniger in Menschen. Die gemischten Zuständigkeiten zwischen Städten (zuständig für Schulgebäude) und Land (zuständig für Personalschlüssel und pädagogische Inhalte) bedauerte Daniel Rütter, FDP. Er erinnerte, dass die kleinen Grundschulen Keeken, Donsbrüggen und Griethausen geschlossen wurden, weil sie mit geringen Schülerzahlen keine Lehrer zugewiesen bekommen hätten. In diesem Jahr und in 2026 aber sind alle Schuleingangs-Klassen in Kleve nun mit 30 Kindern „proppevoll“. Und das in zu kleinen Räumen, wusste Marco Hendricks, Offene Klever (OK).
Eltern monierten, dass Kleve nicht frühzeitig vorgesorgt hat
Sarah Hendricks aus der Schulpflegschaft auf dem Podium und Eltern aus dem Publikum reagierten mit Unverständnis, dass Kleve nicht frühzeitig anhand von Kindergartenzahlen Vorsorge für mehr Schulklassen und OGS-Gruppen getroffen habe. Hedwig Meyer-Wilmes erinnerte, dass Schule und OGS-Träger nicht die Auferstehungskirche als zusätzlichen OGS-Raum wollten, weil die zu weit von der Grundschule Kellen entfernt läge. Sie forderte außerdem vom Land NRW, es anderen Bundesländern nachzumachen: pensionierte Lehrer für Sprachunterricht, auch unentgeltlich, anzustellen.
Große Emotions-Arbeit von Mitarbeitenden in Offenem Ganztag
MdL Frank Müller forderte unter Applaus, dass nicht verwendetes Geld aus dem Budget von Schulministerium und Jugend-Familien-Ministerium am Jahresende nicht an den Landesfinanzminister zurückgeht (das nennt sich „globale Minderausgaben“), sondern bei den beiden Bildungsministerien bleiben müsste. „Aber auf mich hört keiner“, sagte er.
Zu Beginn hatten Prof. Dr. Wögen Tadsen und Doktorandin Julia Mai von der Hochschule Rhein-Waal, Fakultät Gesellschaft und Ökonomie, die Emotions-Arbeit von Mitarbeitenden in Offenem Ganztag und Kitas beleuchtet. Der Respekt vor dieser Tätigkeit bildete die Basis für den weiteren Diskussionsverlauf um die „Bildungsentwicklung statt Verwahrung“.
So viel kostet der Offene Ganztag pro Kind
Die Landeszuweisungen 2022/23 für den Offenen Ganztag (OGS) betrugen 1352 Euro pro Kind pro Jahr. Davon ist der kommunale Pflichtanteil 535 Euro, der kommunale freiwillige Anteil 380€ und für den Rhythmisierten Ganztag 1100 Euro.
Die Städte schreiben die Teilzeitstellen für die OGS öffentlich aus zu ihren eigenen Konditionen. Die Wohlfahrtsverbände bewerben sich darum.
Auf dem Podium saßen: Sarah Hendricks (Stadtschulpflegschaft), Anja Oster (GEW), Marion Kurth (AWo), Elke Kotthoff (Caritas), Jens Willmeroth (Schulleiter), Andrea Rokuß (Confidio Schulentwicklung).
Michael Heyrichs (CDU), Dr. Hedwig Meyer-Wilmes (Grüne), Niklas Lichtenberger (SPD), Daniel Rütter (FDP), Marco Hendricks (OK), MdL und OGS-Trägervorstand Frank Müller (SPD).
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